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eng mit ihm vereinigt; sie vergißt die Beziehung, worin das Bild als Mittel zu dem Zwecke, herrschende Triebe zu befriedigen, steht; – und sucht den Geist, für die engste Adhärenz des Ich’s einer andern Person genommen, in sich aufzunehmen, oder, was einerley ist, ihr Ich, ohne allen weitern Zweck und ohne alle weitere Beziehung, unter dem Bilde eines andern Geistes zu denken.

Wenn die Phantasie uns mit dem Gelingen dieser Bestrebung täuscht, so erkennen wir gar keine Trennung zwischen unserm Geiste und dem Bilde des Geistes einer andern Person an: wir verlieren beyde unsre Selbstständigkeit. Unser Gemüth und sein Gemüth, sein Körper und unser Körper, werden als Agenten betrachtet, die ein und der nehmliche Geist beseelt, und weil das Ich nur unter dem Bilde seiner engsten Adhärenz, des Geistes, gedacht werden kann, so theilen wir nur ein Ich. Du bist Ich, Ich bin Du: das ist die Empfindung der Besessenheit.

Diese Schwärmerey ist wahre Lüsternheit der Seele, und zeichnet sich durch Symptome aus, welche der Lüsternheit des Körpers äußerst analog, und wahrscheinlich an ähnliche Gründe gebunden sind, ob sie gleich nicht eine und eben dieselbe Kraft oder Anlage zum Voraus setzen. Den Zustand, in den wir durch Begünstigung dieses Triebes gerathen, habe ich Besessenheit genannt. Ein neues Wort, ich gestehe es, für dessen Bildung mich aber die Armuth der Sprache entschuldigt, und das sich wenigstens auf die Benennung des Aberglaubens stützet, vermöge dessen ein böser Geist uns besitzen kann.

Gehen wir zuerst auf die Untersuchung aus, welchen Personen solche Lüsternheit der Seele eigen zu seyn pflegt;