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nicht darstellen, auf die wir im Trauerspiele durch eine abgestufte Tonfolge vorbereitet werden.

Rein spannende Gefühle, wenn sie nicht in Begeisterung übergehen, und dadurch ihre Natur ganz verändern, sind daher nicht einladend zur engeren Verbindung und zur thätigen nach Außen hin wirkenden Lage unsers Gemüths. Dagegen sind Gegenstände, welche uns zärteln, viel einladender und anziehender zur näheren Verbindung und zur thätigen Wirksamkeit unserer Kräfte nach Außen hin. Man denke an Muße, ans süße Nichtsthun, an Unbefangenheit, Gleichheit, Zwanglosigkeit! – Wie die Phantasie das alles sogleich in Bilder zu fassen sucht, und unsre Person mit ihnen in abgesonderte Verbindung setzt! Sogar in der ästhetischen Darstellung bleiben zarte Gegenstände immer die anziehendsten. Unser inneres und äußeres Auge schweift lieber über einen Englischen Garten mit Irrgängen hin, als es die symmetrische Anordnung einer liegenden oder aufgerichteten Fläche mit einem Mahle auffaßt. Ein Madonnengesicht von Fiammingo, eine Nymphe von Boucher reitzt mehr zur Annäherung als die Idealgestalt einer Juno Ludovisi, worin die Uebereinstimmung der Formen mit den Gesetzen der Vernunft in ihrer höchsten Reinheit erscheint. Die dichterische Darstellung des Hirtenlebens im goldenen Zeitalter ist einladender als das Heldengedicht, und die sanften Melodien eines Pergolesi ziehen uns mehr an, als die erhabenen Fugen eines Händel.

Damit unser Gemüth zur Ueppigkeit eingeladen werde, wird Zärtelungskraft in dem Wesen erfordert, dem wir uns mittelst der Vorstellung nähern. Der Charakter unsers Zustandes gehört mehr zur Zartheit als zur Stärke.