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Uebeln nach dem geringeren mit affektvoller Lust strebt. Liebe setzt offenbar den Zustand des Genusses des Gegenwärtigen voraus.

Darum wird die Lust, die wir an einer wirklich eingetretenen Verbesserung unserer peinlichen Lage nehmen, sehr oft Liebe genannt, wenn uns gleich noch vieles an der Rückkehr in den gewöhnlichen Ruhestand des Lebens fehlt. Aber wir genießen die Erleichterung und fühlen den gestärkten Muth, das fortwährende Bedürfniß zu tragen, und die belebte Hoffnung, daß ihm gänzlich abgeholfen werde. So liebt, wie gesagt, der Kranke die erste Spur seiner Genesung; so liebt der unglückliche Ehrgeitzige den Schlupfwinkel, der ihn wenigstens dem Triumphe seiner Feinde entzieht. Ich nenne eine solche Lust: affektvolles Genügen des fortwährenden Bedürfnisses.

Höheren Anspruch auf den Nahmen der Liebe hat aber derjenige Genuß, den uns das Gefühl eines völlig gestillten Verlangens nach Rückkehr in den vorigen Ruhestand des Lebens zuführt. So liebt der Mensch, der sich von einer augenscheinlichen Todesgefahr gerettet, und in Sicherheit sieht. So liebt derjenige, der die Qualen des Hungers durch Sättigung endigt. So liebt der ohnmächtige Ehrgeitzige, der sein Ziel verfehlt hat, wenn die Bilder von Macht und Ehre, deren Versagung sonst das Unglück seines Lebens ausmachten, ihre Lebhaftigkeit verlieren, und er nun die Fortdauer seiner ruhigen Einsamkeit, nach angestellter Vergleichung mit seiner vorigen Unruhe, eifrig wünscht. Ich nenne diese Lust an der Stillung eines Bedürfnisses, wodurch wir in den gewöhnlichen