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ich den Zustand Affekt, Aufwallung im eigentlichsten Sinne. Ist er von längerer Dauer, so nenne ich den Zustand anhaltende affektvolle Stimmung, oder auch unter gewissen Bedingungen Leidenschaft. Der Affekt verhalt sich zur schwachen Willensregung wie die meßbare Linie zum unmeßbaren Punkte; zur anhaltenden affektvollen Stimmung aber, oder gar zur Leidenschaft, wie die Linie zur Figur.

Das Herz, in der weitläuftigsten Bedeutung, die ich kenne und annehmen mag, ist das Aufwallungsvermögen, oder die Anlage unsers Wesens, in stärkerer Maße mit Lust oder Unlust seinen gegenwärtigen Zustand zu fühlen, oder nach einem andern zu streben. So sagt man denn: ich sehne mich, oder ich genieße gegenwärtig mit ganzem Herzen, ich bin von Herzen meiner Lage müde! und wieder: das trifft aufs Herz! Das thut herzlich wohl oder weh! Was heißt dieß anders, als: wir sind nicht im Zustande der Gleichgültigkeit oder der schwachen Willensregung; wir sind stark afficirt!

Liebe, in der weitläuftigsten Bedeutung, die ich kenne, ist die aktuelle Wirksamkeit des Herzens, in so fern dieß für Reitzbarkeit zu Affekten der Lust genommen wird. Ihr Nahme bezeichnet den Zustand affektvoller Lust: es mag diese während des begünstigten Verlangens, oder des gegenwärtigen Genusses empfunden werden. Ich liebe Leben und Vergnügen, ruft der Wollüstling, der an einer gutbesetzten Tafel schwelgt! Ich liebe den Tod, ruft der beraubte Gatte; das Leben ist mir zur Last! Ich liebe diesen Schmerz, ruft der Gebrechliche unter den Händen des Wundarztes; seine Folge ist Genesung! –