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und öden Wüste zu leben, in der Nähe jener bezauberten Ruinenstadt, wo bloss Gespenster haufenweise herumirren …

Als ich ihn danach fragte, erhob er ehrfurchtsvoll seinen Blick gen Himmel und sprach ein paar mir unverständliche Worte, von denen eines besonders mein Ohr berührte, das Wort: Bibi-Scharabani.[1]

„Was heisst das?“

– „Folge mir, Jüngling,“ sagte er, zum Ausgange seiner Wohnung sich wendend.

Zur Mauer führte mich der Greis; er näherte sich einer Leiter, welche an der Mauer lag, und bat mich, ihm zu helfen. Er wollte

  1. Bibi-Scharabani soll der Sage nach geheissen haben die Tochter des persischen Königs Chosrow, welcher zur Zeit der Einführung des Islams herrschte. Die persische Kirchengeschichte will wissen, dass der Prophet an den König ein Schreiben gerichtet habe, welches letzterer beim Empfang zerriss, was den plötzlichen Tod des Königs verursachte. Später soll Alis Sohn Hassan Persien erobert, Bibi-Scharabani in die Gefangenschaft geführt und sie seinem Bruder Hussein zur Frau gegeben haben. Diese Angaben sind aber nicht als richtige zu betrachten, und es ist eher anzunehmen, dass Chosrows Tochter mitsamt ihner ganzen Familie hingerichtet worden ist, als sie sich weigerte, den Muhamedanismus anzunehmen und dass sie in Rei (eine jetzt in Trümmern bloss erhaltene Stadt unweit Teheran) begraben wurde, wo später die Sonnenanbeter einen Friedhof errichteten und denselbm der rechtgläubigen Königstochter zu Ehren Bibi-Scharabani benannten.
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Raffi: Bilder aus Persien und Türkisch-Armenien. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:RaffiBilderAusPersienUndT%C3%BCrkischArmenien.pdf/8&oldid=- (Version vom 24.7.2016)