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Heinrich Pröhle: Der Name Ingelheim. In: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, 2. Auflage

daß Du güldne Ringe trägst. Darum sollst Du mit mir kämpfen und ich will Dir die güldnen Ringe abziehen, die Du an den Fingern hast. Danach dann so magst Du heim reiten.“ Die beiden Hengste brausten und zischten schon gegeneinander, aber Karolus sprach ruhig: „Ich kenne Karolus so gut als mich selbsten. Doch hat er mich nicht gegen Dich geschickt. Ich will ihn mit Dir zusammen bestehlen, denn ich weiß, wo er seine besten Kleinodien versteckt hat. Dahin will ich Dich führen und sie mit Dir teilen. Dann werden wir beide reicher sein als Karolus. Niemand wird glauben, daß ich der Dieb bin. Die Leute werden bloß sagen: Elbegast hat den Kaiser bestohlen! Ich aber werde Dir alle Zeit Kunde geben, wie Du den Häschern des Kaisers entgehen kannst. Als Dein Freund ritt ich aus.“

„O weh!“ rief Elbegast. „Sind das die Gedanken derer kaiserlichen Hofleute? Der Kaiser ist über das Ganze gesetzet, er meint es gut mit denen Leuten, ihn soll man nicht bestehlen. Willst Du ein Dieb werden, so hilf mir die Herren und Ritter berauben, welche des Kaisers Gebote übertreten. Folge mir auf der Stelle! Ich führe Dich zu dem Grafen Eggerich von Eggermonde, der ist der gefährlichste von allen denen Großen, die unrechtmäßiger Weise Schätze zusammenscharren.“

Da horchte der Kaiser hoch auf und folgte dem Räuber durch den Wald wie ein Knäblein, das zum erstenmale von einem alten Jäger mit einem Spürhunde zusammen auf der Fährte eines Wildes durch das Dickicht geführt wird. Zuletzt banden sie ihre Hengste an zwei Bäume vor der Burg des Grafen von Eggermonde. Elbegast vermochte alle Schlösser so leicht zu öffnen, wie man einen Knoten in einem leinenen Taschentuche auflöset. Die Steine in der Burgmauer und in der Burg waren mit festem Mörtel zusammengefügt, der wie Silber glänzte in den Fugen des Gemäuers. Aber Elbegast brach ohne Geräusch einige Steine los. Durch diese Löcher fuhr dann Elbegast wie ein Hamster, der in der Erde verschwindet, ins Schloß hinein. Wie ein Iltis schlüpfte Kaiser Karolus hinterher. Zuletzt liefen sie in der Burg eine dunkle enge Wendeltreppe in die Höhe und dann versteckten sie sich in der Kammer unter dem Bette des Grafen. Dort wollte Elbegast hören, wo die Schätze des Grafen lägen. Aber Kaiser Karls

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Heinrich Pröhle: Der Name Ingelheim. In: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten, 2. Auflage. Meidinger , Berlin [ca. 1892], Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten_2.djvu/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)