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Hauzahne fuhr derselbe in Herrn Ruperts Lanze, daß sie wie ein Strohhalm zersplitterte. Wie es in solchen und ähnlichen Fällen auf der Wildschweinsjagd zu geschehen pflegt, so war nun Herr Rupert in der größten Gefahr, durch den Eber eine tödliche Wunde zu empfangen.

Da wurden die Zweige im Gebüsche dicht neben Herrn Rupert plötzlich auseinandergebogen, und Heinrich von Stein trat hervor. Mit seinem Schwerte trennte er auf einen Hieb den Kopf des Ebers vom Rumpfe. Erstaunt blickte ihn Rupert an, und kaum hatte er seine Gedanken etwas gesammelt, da begrüßte er ihn als seinen Lebensretter und lud ihn ein, mit nach seiner nächsten Burg zu kommen.

Bei der Ankunft befahl Rupert, seinen Gast aufs beste zu bewirten. Er verließ ihn dann auf einige Stunden, schrieb Briefe, sandte Boten aus mit vielen Einladungen für den nächsten Morgen und nahm noch mit Heinrich von Stein die Abendmahlzeit ein. Nach dem Schlaftrunke sagte er seinem neuen Freunde, daß er selbst sehr ermüdet sei und ihn am andern Tage erst spät zum Morgenimbiß werde rufen lassen.

Indessen war Rupert am andern Morgen schon früh bei der Hand, um neue Gäste zu empfangen, die er am Tage vorher eingeladen hatte. Heinrich von Stein dagegen, von den Anstrengungen des vorigen Tages so ermüdet, schlief fest, bis er gegen zehn Uhr, als alle neuen Gäste versammelt waren, zum Frühtrunke gerufen wurde.

Als Heinrich von Stein in den Rittersaal eintrat, erblickte er Jutta und ihre Verwandten nebst anderen Rittern und Edelfrauen. Herr Rupert bat zu Aller Erstaunen bei Jutta’s Verwandten um Jutta’s Hand, aber nicht für sich, sondern für Heinrich von Stein. Damit Heinrich aber nicht mehr zu arm schiene, um in ihre Familie eintreten zu können, so setzte er ihn zu seinem Erben ein für die Burg, auf welcher man sich befand. Der Burgkaplan konnte bereits eine von ihm aufgesetzte Urkunde über die Schenkung vorlesen. Gern willigten Jutta’s Verwandte nun in die Heirat mit Heinrich von Stein, Rupert’s Verwandte aber unterschrieben die Schenkung, da sie auch ohne die Ebernburg nach dem Tode des reichen Rupert immer noch eine große Erbschaft zu erwarten hatten. Den Namen aber soll die Burg an diesem Tage gleichfalls empfangen haben wegen

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/75&oldid=- (Version vom 1.8.2018)