Der Herzog Gottfried von Brabant hinterließ bei seinem Tode außer seiner Gemahlin auch ein Töchterlein, aber keinen männlichen Erben. Nun hatte der Herzog, als er sich schon auf seinem letzten Krankenlager wälzte, noch allerlei Urkunden ausgestellt und an Freund und Feind Briefe geschrieben des Inhalts, daß nach seinem Tode seine Gemahlin und seine Tochter in der Regierung nicht angegriffen, sondern vielmehr unterstützt werden sollten. Dafür hatte er über Alle, die seine Bitte erfüllen würden, den Segen des Himmels herabgefleht. Aber kaum hatte Gottfried die Augen geschlossen, so nahm sein eigener Bruder, der mächtige Herzog von Sachsen, trotz alledem Brabant in Besitz.
Als nun bald darauf der Kaiser von Deutschland, zu dessen Reich auch Brabant gehörte, einen Reichstag am Rheine hielt, auf welchem der Herzog von Sachsen erscheinen mußte, begab sich auch die Herzogin von Brabant mit ihrer Tochter dahin, um ihren Schwager bei dem Kaiser zu verklagen.
Als alle auf dem Reichstage versammelt waren und eben die Klage der Herzogin gehört werden sollte, da begab es sich, daß der Kaiser einen Augenblick auf den Rhein schaute.
Da sah er einen Schwan, der schwamm den Rhein hinauf. Er hatte eine silberne Kette um den Hals, die erglänzte gar hell und daran zog er ein Schifflein hinter sich her. In dem Schifflein aber war ein Ritter,
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/259&oldid=- (Version vom 1.8.2018)