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Hochzeitstafel hin. Der Bischof empfing uns dort. Er hieß den fremden Gast sich neben die Braut setzen. „Sagt mir, lieber Vater“, sprach jene alsbald, „wer ist der fremde Ritter?“ „Kennt Ihr ihn nicht?“ ward Ihr zur Antwort; „ist es nicht Wilhelm, Euer Gemahl?“ „O habt Erbarmen!“ bat sie weinend; „was soll Eurem armen Kinde doch der Spott?“

„Herzliebes Leben“, vernahm sie darauf ihres Liebsten Stimme, „kennst Du dies Ringelein nicht? Du gabst es mir bei einem bitteren Scheiden, wie Du das gleiche von mir empfingst.“ Sie sah ihn an mit Thränen, dann rief sie aus: „Herzliebster! sei willkommen! o willkommen tausendmal!“

Dann sank sie erbleichend hin. Des jungen Königs Arme umfingen sie. Mit Küssen weckte er sie auf zum seligen Lebensrausche. Nicht sahen sie mehr den Schwarm der Gäste. Sie hielten sich umschlungen, als wollten sie nimmer mehr von einander lassen. Sie sahen sich an und konnten sich nicht satt sehen. Verschwunden schien vor ihnen die ganze weite Welt umher.

Da faßte mich ein Freudenrausch. Ich dankte Gott, daß er mir damals im Traume so süßen Rat gegeben hatte. Nicht dünkte mich mehr das Opfer zu groß, das ich an Gold und Silber hatte bringen müssen.

Da blickte ich auf den jungen König und sah, welche Spuren das überstandene Elend auf seinem schönen Gesichte zurückgelassen hatte. Er hatte jetzt über all seinem Glück das Essen und Trinken ganz vergessen. Ich mahnte Irenen daran, da legte sie selbst ihm Speise vor und weinte Freudenthränen in den Wein, den sie ihm kredenzte.

„Da Euch nun noch immer ein Eid den Weg zum vollen Glücke sperrt,“ wandte ich mich an den König, „so verschmähet nicht – weiß ich mich gleich der Ehre nicht wert – bei mir das Schwert und den Ritterschlag zu nehmen.“

„Vater“, erwiderte hierauf der edle Gast, „gern folge ich Deinem Rate und, gefällt Dir’s wohl, so sei schon morgen der Tag. Du weißt am besten, was mir frommt. Hast Du doch die Meinen von großem Leid errettet, dazu auch noch mein süß Gemahl.“

Hätte nicht die Liebe ihn dazu getrieben, wohl nie hätte König Wilhelm von Engelland darein gewilligt, bei mir, der doch solcher Würde viel zu fern stand, Ritter zu werden.

Nun aber ließ ich ihm mit königlicher Pracht ein Fest bereiten. König

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/246&oldid=- (Version vom 1.8.2018)