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Untergebenen. Da fand man manchen Kessel, Hafen und auch Pfannen. So sorgte man, daß es bei Ankunft der erwarteten Gäste an Speise nicht fehlte. Als diese dann kamen, wurden sie von den Posaunen gar kräftig begrüßt. Der Schall der Trommeln und Flöten war so groß, daß das weite Worms davon laut ertönte. Ueberall ritten die hochgemuten Helden zu Rosse. Da erhub sich in dem Lande das hohe Ritterspiel von manchem guten Recken. Die herrlichen Frauen saßen in den Fensternischen und blickten zur Kurzweil auf die Kampfspiele der kühnen Mannen. Da hörten sie alle die Messe, bei welcher der Gesang in jenen Zeiten des Ueberganges vom Heidentume zum Christentume noch etwas wirr ertönte. Denn es liefen bei solchen Gelegenheiten auch wohl die Heiden mit in die Messe, und, wie es im Nibelungenliede heißt: „Christen und Heiden sangen nicht in eins.“

Vor einer Vesper wurde auch ein Ritterspiel gehalten. Da saßen die beiden Königinnen zusammen. Da sprach die schöne Kriemhild: „Fürwahr, ich habe einen Mann, dem alle diese Reiche unterthan sein sollten.“ Da entgegnete Frau Brunhilde: „Wie könnte das wohl geschehen? Freilich, wenn Niemand lebte als Ihr Beide! Aber so lange Gunther lebt, kann es doch nicht sein.“ Hierauf begann aber Kriemhilde: „Siehst Du, wie er dasteht, und wie er so herrlich vor den Recken herschreitet! Soll mir davon nicht mein Herz fröhlich werden?“ „Nun,“ warf Brunhilde dagegen ein, „wie stattlich auch Dein Mann sein mag, so sollst Du doch Gunther, dem edlen Bruder Dein, den Rang über ihn und alle Könige zugestehen.“ Kriemhilde antwortete: „Mein Mann ist Gunthers Genosse und ihm ebenbürtig.“ „Als Gunther meine Minne gewann,“ entgegnete Brunhild hierauf, „hat Siegfried bekannt, daß er nur dessen Vasall wäre.“ „O“, rief Kriemhilde, „das wäre schlimm für mich, wie würden wohl meine edlen Brüder jemals einem Lehnsmanne mich als Ehefrau übergeben haben? Ich muß Dich freundlich bitten, Brunhilde, daß Du solche Rede unterwegs lässest.“ „Ich mag aber auf unsere Lehnsleute nicht verzichten,“ schrie Brunhilde. „Siegfrieds Dienste wirst Du doch entbehren müssen,“ sprach Kriemhilde. „Mich nimmt es nur Wunder, wenn wir Beide Deine eigenen Leute sind, daß Du so lange keinen Zins von uns bekommen hast. Darum sollst Du noch heute erkennen, daß ich edelfrei bin. Noch heute sollst Du

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)