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sprang er wieder hervor, und sie kämpften weiter. Endlich kam der Zwergkönig Egwaldus und setzte Siegfried seine Nebelkappe auf. Dadurch rettete er ihn in einem gefährlichen Augenblicke. Aber als Siegfried sich erholt hatte, wurde der Kampf doch fortgesetzt. Zuletzt mußte der Riese das Felsenloch aufschließen, worinnen sich Florigunde befand, und Siegfried steckte den Schlüssel zu sich.

Darauf schenkte der Riese Wolfgrambär Siegfried noch eine überaus schöne Klinge. Mit dieser allein, sagte er, könne der Drache überwunden werden. Da nun aber Siegfried schnell nach diesem Schwerte griff, so versetzte der Riese Siegfried eine tiefe Wunde. Doch Siegfried riß dem Riesen seine Wunden auf. Dadurch wurde derselbe so schwach, daß Siegfried ihn in die Felsenkluft hinabwerfen und dadurch zerschmettern konnte, worüber Florigunde in ein lautes Freudengeschrei ausbrach.

Erst jetzt erinnerte sich Siegfried, daß er seit vier Tagen und vier Nächten weder gegessen noch getrunken hatte. Darüber erschrak die Jungfrau nicht wenig. Der Zwergkönig Egwaldus bot sogleich seine Zwerge auf, um ihm und auch Florigunden mit Speise und Trank aufzuwarten. Aber kaum saßen sie bei Tische, da kam der ungeheure Drache mit neun jungen Drachen über die Berge hergeflogen. Ihr Flug erschütterte das Gebirge, als ob es zusammenbrechen wollte. Der Jungfrau rann der kalte Angstschweiß über das Gesicht, und die Zwerge, welche bei Tische bedienen sollten, liefen davon.

Dem Drachen flog das Feuer voraus, so weit als drei brennende Riesenspieße lang sind. Der Drache war aber ein schmucker Jüngling gewesen, den eine Hexe verwünscht hatte. Mit Leib und Seele diente er nun dem Teufel. Nach fünf Jahren hatte er wieder ein Mensch werden sollen, und diese Zeit war jetzt bald um. Dann hätte er Florigunde heiraten können. Sie hatte ihn schon am Osterfeste, an welchem er sich verwandeln durfte, in seiner menschlichen Gestalt gesehen, aber dennoch graute ihr vor ihm.

Siegfried nahm das Schwert, welches ihm der Riese auf dem Drachensteine geschenkt hatte und stieg damit den Felsen hinan. Die Zwerge liefen vor Angst in die Wälder und versteckten den Schatz des Königs Egwaldus in Felsen. Der Zwergkönig selbst aber war schon längst davon gelaufen.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/207&oldid=- (Version vom 1.8.2018)