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Auch kannte er die Wege auf dem Rheine hinab ganz genau, denn dahin lagen die Niederlande, wo sein Vater König war. Selbst der Ocean nordöstlich von den Niederlanden schien ihm nicht unbekannt zu sein. Als daher König Gunther von seinem Plane, die stolze Brunhild als Gemahlin nach Worms heimzuführen, nicht abzubringen war, begleitete ihn Siegfried. Dabei mußte er vor Brunhilde als Lehnsmann König Gunthers gelten. Nur dadurch konnte in Brunhilden’s Herzen der Gedanke unterdrückt werden, mit Siegfried zu kämpfen und, nachdem sie sich ihm im Kampfe ergeben haben würde, ihm ihr Reich mit ihrer Hand zu übergeben. Ihr Land aber mag man sich als ein verzaubertes Königreich denken, von welchem freilich später, nachdem der Zauber gleichsam durch ihre Besiegung gelöst ist, fast garnicht mehr gesprochen wird. Damit nun aber von der Erwerbung der Brunhilde für Siegfried unter allen Umständen nicht die Rede sein darf, so verspricht der mächtige König der Burgonden Siglinden’s Sohne die Hand seiner Schwester Kriemhilde für den Fall, daß Gunther durch Siegfried die Brunhilde gewinnt. Die Liebe zu Siegfried kann in Brunhilden’s Busen nicht erwachen nach dem Geiste jener altertümlichen Zeiten, sobald Siegfried nicht selbst schon durch seine Geburt Ansprüche auf ein königliches Erbe erheben kann. Um so vornehmer erscheint Siegfried in seiner nur scheinbar angenommenen Knechtschaft.

Bei seiner und ihres Bruders Abreise ist Kriemhilde in Thränen ausgebrochen. König Gunther greift selbst zur Ruderstange, weil Siegfried stromabwärts als Wegweiser dienen kann und dadurch, daß er wohl steuert, aber nicht rudert, geehrt werden soll. Nach zwölftägiger Fahrt kamen sie an dem Hoflager der Brunhilde zu Isenstein an. Da ragten am Meeresstrande sechsundachtzig Türme empor in umheimlicher Pracht. Drei Paläste und einen Herrensaal, die alle von grünem Marmor erbaut waren, schlossen sie ein. Weder das Land noch seine stolze Beherrscherin ist Siegfried unbekannt. Aber er selbst stellt sich ihr jetzt als König Gunthers Dienstmann vor. Die Bewerbung desselben wird ihr angekündigt. Als Hagen, der sich gleichfalls in Gunthers Gefolge befindet, die Waffen sieht, deren sich Brunhilde im Wettkampf mit dem Freier bedienen will, ruft er aus, Brunhilde müsse des Teufels Braut sein.

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)