sich gefallen lassen mit ihm der Sänfte entgegen zu spazieren. Bevor sie aufbrachen, dankte Genovefa noch in dem hohlen Baume Gott für alle Wohlthaten, welche sie hier und in der Höhle bei Trier empfangen hatte.
Danach nahm sie der Graf bei der Hand, ein edler Ritter trug den jungen Grafen Schmerzenreich hinten nach und man ging also langsam und gemächlich, bis ihnen die Sänfte entgegen kam. Die lieben Vögel flohen über sie her und gaben mit dem Flattern der Flügel genugsam zu verstehen, wie ungern sie Genovefa sammt dem jungen Grafen von sich ließen.
Die Hirschkuh aber folgte der Gräfin wie ein sanftmütiges Lamm nach und wollte kein paar Schritte von ihr weichen. Eine Strecke Weges waren sie fortgegangen, da kam ihnen die Sänfte entgegen sammt einem großen Haufen aller derer, die im Schlosse wohnten, weil ein jeder dieser allgemeinen Freude beiwohnen und die Gräfin mit Ehren heimbegleiten wollte.
Als man nun nahe zum Schlosse gelangt war, begegneten dem Grafen zween Fischer. Sie verehrten ihm einen Fisch von ungewöhnlicher Größe. Da man ihn eröffnete, fand man Genovefas Trauring, welchen sie einst im Unmut über ihr Geschick in den Laacher See geworfen hatte. Der Graf konnte Gott nicht genug loben, daß er durch dieses Wunder die Wiederherstellung seiner Ehe gleichsam bekräftigt hatte.
Die heilige Genovefa war kaum im Schlosse angekommen, da wollte jeder diese wunderliche Heilige sehen. Sonderlich fanden die Freunde und geladenen Gäste in dem Schlosse größere Ursache zu frohlocken, als sie hatten verhoffen können, indem sie ihre liebe Base gleichsam von den Toten auferstehend antrafen und die wunderliche Weise, durch welche Gott ihre Unschuld offenbaret hatte, vernahmen. Die Festlichkeiten auf dem Schlosse dauerten nun die ganze Woche. Doch hatte sich Genovefa so sehr an ihre Kräuter und Wurzeln gewöhnt, daß sie weder Fisch noch Fleisch, weder Bier noch Wein mehr zu genießen vermochte. Schon im Kerker hatte ihr ja der böse Golo, wie schon früher erzählt ist, nie etwas anderes als Brot und Wasser reichen lassen.
So ließ denn auch diesen Bösewicht mitten unter den Freuden, die
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/177&oldid=- (Version vom 1.8.2018)