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Euch von Herzen und habe Euch schon von Anfang an verziehen. Der barmherzige Gott wolle uns beiden unsere Sünden vergeben und uns seiner Gnade würdig halten.“ Darauf reichte sie dem Grafen die Hand und hob ihn von der Erde auf.

Hier stand nun der betrübte Graf, anschauend das abgemagerte Angesicht, und meinete, sein betrübtes Herz müßte ihm vor Mitleiden zerspringen, weil das holdselige Angesicht, welches vor Zeiten den Engeln geglichen hatte, jetzt so entstellt aussah. Er spürte solche Ehrerbietung gegen Genovefa, als ob er vor einer großen himmlischen Heiligen stände. Wiewohl sie ihm alle Freundlichkeit erzeigte, so konnte er doch vor Ehrfurcht kaum mit ihr reden.

Doch sprach er nach einigen tiefen Seufzern wieder zu ihr: „Wo ist denn das arme Kind hingekommen, das Ihr im Kerker bekommen habt? Ist es denn nicht mehr am Leben?“

Sie antwortete: „Daß es noch lebet, ist ein großes Wunder von Gott. Der gütige Gott hat mir dieses Wild geschicket, welches das Kind täglich zweimal gesäuget und also aufgezogen hat.“

Indem sie dieses redete, kam der liebe Schmerzenreich in seine Schafshaut eingewickelt barfuß daher und hatte seine beiden Hände voll wilder Wurzeln. Als er aber den Grafen bei seiner Mutter sah, wurde er erschrocken und rief: „Mutter, was ist das für ein wilder Mann, der bei Euch stehet? ich fürchte mich vor ihm.“

Die Mutter sprach: „Fürchte Dich nicht, mein Sohn, komm nur geschwind her, der Mann thut Dir nichts.“

Unterdessen sprach der Graf zu Genovefa: „Ist das unser lieber Sohn?“

Sie sprach: „Ach, daß Gott erbarm! Das ist das arme Kind.“

Sollte nun nicht dem Grafen das Herz zersprungen sein, als er seinen einzigen gräflichen Sohn in solchem Elende daherkommen sah? Leid und Freude waren so groß bei ihm, daß er selbst nicht wußte, welche den Vorzug hatte.

Da sprach Genovefa zu Schmerzenreich: „Siehe, das ist Dein Herr Vater! Küsse ihm die Hand.“

Als das Kind dies that, nahm der Graf es auf seine Arme, drückte

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/175&oldid=- (Version vom 1.8.2018)