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und Wahrhaftigkeit durchaus noch nicht gleich. Darum scheute er auch keine List, um den Golo wieder in seine Gewalt zu bringen. Nach mehr als einem Jahre schrieb der Graf dem Golo zum Schein einen sehr freundlichen Brief, in welchem er sich gleichsam verwundert anstellte, warum jener ihn verlassen habe, da der Graf ihm doch alle Zeit große Liebe und Ehre erwiesen hätte.

Golo entschuldigte seine Abwesenheit mit unvermeidlichen Geschäften, die er gehabt hätte. Der Graf schrieb ihm zu unterschiedlichen Malen ganz freundlich, verbarg all seinen Widerwillen und gab ihm zu erkennen, wie sehr er nach seiner freundlichen Konversation verlangte.

Dies Briefschreiben und Antworten währte eine geraume Zeit, wodurch der Golo vermeinte, der Graf wäre ihm wieder in Gnaden gewogen. Endlich hörte der böse Mann auch, daß die Freunde des Grafen damit umgingen, ihm eine junge schöne Gemahlin antrauen zu lassen. Da zweifelte der böse Haushofmeister nicht länger, daß sein Herr nun der Genovefa und ihres Söhnleins vergessen habe.

Zu dieser Zeit hielt sich aber der Graf nicht auf der Pfalzgrafenburg bei Trier, sondern auf seinen Schlössern und Gütern bei Laach auf. Die Nachricht, welche Golo erhalten hatte, daß Siegfried sich wieder vermählen wolle, war falsch. Indessen stellte er doch auf einem seiner Schlösser am Rheine ein großes Fest an, wozu er alle Freunde, auch den Golo, einlud, der ihn sogar schon vorher wieder auf die Jagd begleiten sollte.

Der sonst so listige Fuchs war diesmal nicht gescheit genug gewesen, sondern freiwillig in das zubereitete Netz gelaufen. Der Graf hieß ihn freundlich willkommen sein und freute sich gar höchlich seiner Ankunft. Sie führten einige Tage gar freundliche Konversation und erwarteten sämmtliche Gäste.

Damit nun die vielen ankommenden Gäste desto besser traktieret würden, wollte der Graf mit einem ganz vorzüglichen Wildbret die Tafel zieren, ritt derselbe am heiligen Dreikönigstage zum angesagten Jagen hinaus, nahm, wie schon gesagt, neben vielen andern auch den Golo mit sich. Sie rannten in der Wildnis hin und her und befleißigten sich ein jeder, ein Stück Wild aufzutreiben.

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/172&oldid=- (Version vom 1.8.2018)