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denn sie war die Schwester von Golos böser Amme. Zu ihr ging der Bösewicht zuerst, erzählte ihr alles und sagte, gegen Abend werde er mit dem Grafen wiederkehren. Dann solle sie ihm ein Gespenst vorspiegeln, damit er glaube, was ihm von Golo fälschlich berichtet worden sei.

Hierauf gab er ihr ein gutes Stück Geld und verfügete sich alsbald dahin, seinen gnädigen Herrn Grafen zu bewillkommnen. Kaum aber hatte er denselben begrüßet, so nahm ihn der Graf bei Seite und verlangte von ihm völligen Bericht alles dessen, was sich in seinem Hause zugetragen habe. Da brach der Bösewicht aus Angst vor Strafe, die er selbst verdienet hatte, in Zähren aus und seine Thränen mußten seinen Lügen einen Schein von Wahrheit geben. Ja, sein Zittern um sein Leben, daß nur von Furcht vor dem wohlverdienten Tode und Gericht herrührte, konnte der Graf nicht anders deuten, als ob der treue Haushalter ganz zerknirscht wäre, weil er gezwungen würde, so unerhörte Dinge von seiner gnädigen Frau zu berichten. Er sagte auch, daß er den Koch Dragones um der Gräfin willen nicht habe vor Gericht gestellet, sondern nur heimlich hinrichten lassen.

Indessen forschte doch der Graf immer peinlicher nach allen Umständen und Beweistümern und Golo mußte endlich befürchten, daß er sich mit seinen eigenen Worten widersprechen und eine Schlinge bereiten werde. Darum sagte er, es sei zu Straßburg eine gar heilige und in aller Offenbarung verborgener Dinge hochberühmte Matrone. Solche wolle der Graf umständlich befragen, so werde er einen völligen Bericht über den völligen Verlauf der Sache empfangen.

Da ging der Graf bei anbrechender Nacht mit Golo zu dieser Hexe und gestand ihr, daß er seine eigene Ehehälfte in einem schlimmen Verdacht habe, worüber er von ihr als einer weisen Frau Auskunft verlange.

Nun führete sie die Zauberin in einen düsteren Keller, darinnen ein grünes Licht brannte, so einen blauen Schein von sich gab. Mit einem Stecken machte sie zween Kreise auf den Boden und stellete in den einen, den Grafen, in den anderen den Golo. Darnach aber warf sie einen Spiegel in ein Geschirr voll Wasser, drehte sich zu dreien malen vor dem Geschirr herum, hauchete dreimal hinein, rührete es mit ihren Händen um und machte wunderliche Zeichen darüber.

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/162&oldid=- (Version vom 1.8.2018)