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auch der Pfalzgraf Siegfried zu Felde ziehen, weil das Triersche Land damals zum Reiche der Franken gehörte.

Da sich nun der Graf mit den Seinigen zum Feldzuge fertig gemacht hatte, und nunmehr von seiner lieben Gemahlin Genovefa Abschied nehmen wollte, so war es gar erbärmiglich anzusehen, wie kläglich sich diese so betrübte Frau stellete und mit ihren bitteren Zähren alle Anwesenden zum Mitleid bewegte.

Als ihr der Graf vor der Abreise die Hand reichte, wurde sie von solchem Herzeleid überfallen, daß sie halbtot vor Ohnmacht zu Boden sank. Mit traurigen Worten sprach er zu ihr: „Betrübt Euch nicht zu sehr über unsern Abschied, herzliebste Gemahlin, denn ich hoffe zu Gott, er werde uns mit Freuden wieder zusammenführen. Nächst ihm befehle ich Euch der allerseligsten Jungfrau Maria, welche Euch in meiner Abwesenheit beschützen und in Eurem Leide trösten wird. Ich lasse Euch meinen getreusten Golo, welcher Euch in meinem Namen fleißig dienen und mit allem bestens versorgen wird.“

Als ihr der Graf nun abermals die Hand reichte, fiel sie von neuem in Ohnmacht. Wie höchlich ihr Herr sich hierüber betrübt habe, ist leicht zu erachten. Deswegen wendete er sich um und ritt bitterlich weinend von dannen.

Da er nun mit den Seinigen in dem königlichen Lager angekommen war und alle Fürsten und Herren sich versammelt hatten, so zog Martellus mit einer Armee von 60 000 Mann zu Fuß und 12 000 Mann zu Pferde gegen das barbarische Lager der Mohren.

Diese waren viermal stärker, und dennoch gab Gott den Franken großes Glück. Ihre Scharen schlugen so herzhaft zu, daß 365 000 Mohren auf dem Platze blieben, dahingegen der Christen nicht mehr als 1500 umkamen.

Der König der Mohren begab sich mit den Trümmern seines Heeres in die Stadt Avignon.

In ihr wehrte er sich so tapfer, daß die Belagerung durch die Christen sehr lange währte; so geschah es denn, daß die Heimkehr des Pfalzgrafen Siegfried sich um ein ganzes Jahr verzögerte.

Darüber war die Pfalzgräfin Genovefa hochbetrübt. Auf der ganzen

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/155&oldid=- (Version vom 1.8.2018)