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„Keineswegs“, antwortete sein Führer. „Du hörst ja, daß der Übelthäter[1] Hals und Kopf verwirkt hat.“

Dabei schenkte der Redner dem Scharfrichter von einem Getränke ein, das wie Feuer durch seine Adern rann. Der Scharfrichter trank den Krug noch zweimal leer, dann fuhr der Redner fort: „Es ist ein Galgenstrick, aber er ist für den Galgen zu angesehen. Drum sollst Du hier mit ihm thun, was Deines Amtes ist.“

„Ich habe kein Schwert bei mir“, sagte der Scharfrichter jetzt.

„Siehe hier, für ein Schwert ist gesorgt ,“ antwortete der Anführer nun.

Einer der Anwesenden sprang an den Wagen und holte ein Strohbündel von der Decke herunter. Er löste einige Stricke und ein Schwert in einer kostbaren Scheide kam zum Vorschein.

Das Schwert wurde dem Scharfrichter gereicht, und dieser, ohne zu wissen was er that, zog es aus der Scheide. Es war ganz leicht und dabei so scharf geschliffen, daß der Scharfrichter sich wohl getraut hätte, damit eine Feder, die in der Luft flog, in zwei Hälften zu teilen.

„Siehe,“ sprach sein Verführer, „das soll Dein sein und zehn Konventionsthaler mit der Mutter Gottes auf dem halben Monde dazu. Nun willige ein oder ich schieße Dich nieder.“

Dabei zog der Mann eine Pistole hervor und hielt sie dem Scharfrichter vor die Augen.

„Ja oder Nein will ich hören,“ rief der Verführer und zog den Hahn der Pistole auf. „Ja!“ sprach der Scharfrichter, und der Andere steckte die Pistole wieder ein.

In diesem Augenblicke hörte man Peitschen knallen. „Da sind sie,“ sagte der Eine der Anwesenden. Wirklich bog ein zweiter Wagen um die Waldecke.

Von dem Tritte dieses zweiten Wagens wurde zuerst ein schwerer Klotz abgelöst. Diesen stellte man mitten auf die Wiese und bedeckte ihn mit einem schwarzen Tuche.

Nun wurde der Wagen von außen mit einem Schlüssel aufgeschlossen. Ein hübscher junger Mann von dreißig bis fünfunddreißig Jahren, mit einem seidenen Schlafrocke angethan, wurde herausgehoben. Des Gehens

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Üebelthäter
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/141&oldid=- (Version vom 1.8.2018)