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die Königstreue des mittelalterlichen Vasallen zu Grunde liegt, aus welcher auch die erhabensten Handlungen in der Geschichte seiner Zeit hervorgehen. Besonders als er bereits den Tod aller Burgunden und auch seinen eigenen voraus weiß, zwingt er uns im Kampfe mit Kriemhilde und den Hunnen immer lebhaftere Bewunderung ab. Unvergleichlich sind daher die Worte, die er zu Kriemhild spricht:

„Du hast es nach Deinem Willen zu einem Ende gebracht
Und ist auch recht so ergangen als ich mir hatte gedacht.
Nun ist von Burgonden der edle König tot,
Giselher, der junge, und auch Gernot.
Den Schatz weiß nun Niemand außer Gott und ich.
Der sei, Du Teufelinne, allzeit verhohlen für Dich.“

Welch einen Abstand bildet diese Schilderung der Kriemhild am Hofe des Hunnenkönigs Etzel oder Attila mit der Schilderung der lieblichen Jungfrau Kriemhild am Königshofe der Burgonden zu Worms! Da wuchs sie heran als ein holdseliges, schüchternes Mägdelein. In allen Landen war nichts Schöneres als sie. Ohne Maßen herrlich war ihr edler Leib. Drei Könige, edel und reich, pflegten ihrer: Günther, Gernot und Giselher, der junge, denn die Jungfrau war ihre Schwester. Ihnen diente eine stolze Ritterschaft. Eine reiche Königin, Frau Ute, war ihre Mutter.

In ihrer stillen Abgeschiedenheit träumte Kriemhilden einst, sie habe einen wilden Falken gezogen manchen Tag, da wären zwei Adler gekommen und hätten ihn mit ihren Krallen zerdrückt. Sie erzählte den Traum ihrer Mutter Ute. Diese antwortete:

„Der Falke, den Du ziehest, das ist ein edler Mann,
Ihn wolle Gott behüten, daß er nicht mag verloren gah’n.“

Kriemhilde antwortete:

„Was sagt Ihr mir von Manne, vielliebe Mutter mein?
Ohne Recken-Minne will ich immer sein.
So schön will ich bleiben bis an meinen Tod,
Daß ich soll von Manne nimmer gewinnen keine Not.“

„Nun verrede es nicht zu sehre,“ sprach ihre Mutter da.
„Sollst auf der Welt Du werden von Herzen fröhlich, ja,
Das geschieht von Mannes Minne. Du wirst ein schönes Weib,
Ob Dir Gott noch gesellet eines guten Ritters Leib.“

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)