Im deutschen Reiche aber waren damals die traurigen Zeiten der Zwischenherrschaft. Nachdem Konradin der Hohenstaufe in Italien hingerichtet war, wollten nur noch fremde Fürsten die deutsche Kaiserwürde annehmen. In dieser schrecklichen Zeit, da die Raubritter in Deutschland schalteten, wurde auch Richard von Cornwallis zum deutschen Kaiser gewählt. Nach der Wahl ertönte ein Freudenschrei durch manche Gegenden unseres damals so unglücklichen Vaterlandes, besonders aber jubelten die Kölner, die sich manche Vorteile von dieser Wahl versprechen durften. Aber Guta lag in diesen Tagen krank vor Sehnsucht und Kummer auf Burg Falkenstein, denn sie hatte seit der Abreise ihres Bräutigams nichts mehr von ihm vernommen. Da schmetterten die Fanfaren, denn der neuerwählte Kaiser zog mit seiner Schar nach Burg Falkenstein hinauf. Mit geschlossenem Visier ritt er in den Burghof ein und wurde von dem Grafen mit aller Ehrfurcht begrüßt, welche einem deutschen Kaiser gebührte. Der Kaiser fragte den Grafen sogleich nach seiner Schwester. Dabei hätte dieser wohl erkennen sollen, daß die Stimme des Kaisers dieselbe war, welche er auf dem Bankett und dann auf Burg Falkenstein während der Anwesenheit des englischen Ritters gehört hatte. Doch fiel ihm dies nicht auf, da ihm der Accent, mit welchem diese damals am Rheine sehr häufigen Fremdlinge aus Britannien seine deutsche Muttersprache redeten, überhaupt wenig bekannt war, so daß es ihm nicht leicht wurde, diese Männer zu verstehen. Jedoch war auch der Sinn der Worte, die Richard von Cornwallis zu dem Grafen sprach, seltsam und auffallend. Er behauptete, daß unter seinem Gefolge sich ein Ritter befände, welchem die Gräfin Guta ihre Hand versprochen habe und der als Pfand ihrer Zuneigung ihren Handschuh aufbewahre, welchen er auf dem Turnier aufgehoben habe. Er selbst, der Kaiser, wollte nun für diesen Ritter um Guta werben.
Von dem, was der Kaiser zu ihr gesagt hatte, war dem Grafen von Falkenstein zwar bisher durch seine Schwester manches verschwiegen worden; doch da der Graf merkte, daß es sich um den Ritter handelte, der ihn auf seiner Burg besucht hatte und seit dessen Abreise Guta in Trauer versunken war, so wollte er denselben eiligst im Gefolge des Kaisers suchen. Richard von Cornwallis bemerkte diese Absicht, hielt den Grafen zurück und befahl
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/120&oldid=- (Version vom 1.8.2018)