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Die Aufmerksamkeit auf jedes Wort war groß. Alle einzeln herangekommenen Wallfahrer und alle vereinigten Gemeindeprocessionen standen hier versammelt, nachdem sie vorher ihre Standarten und Fahnen an die Kirche zur linken Hand des Predigers angelehnt hatten zu nicht geringer Zierde des Ortes. Erfreulich war es aber, nebenan in einem kleinen Höfchen sämmtliche herangetragene Bilder auf Gerüsten erhöht zu sehen. Drei Muttergottesbilder von verschiedener Größe standen neu und frisch im Sonnenschein. Die langen rosenfarbenen Schleifenbänder flatterten munter und lustig im lebhaftesten Zugwinde. Das Christuskind im Goldstoffe blieb immer freundlich. Der heilige Rochus schaute seinem eigenen Feste ruhig zu. Er war jetzt mehr als einmal vorhanden, doch stand die Gestalt im schwarzen Sammetkleide wie billig voran.

Die Predigt hatte gewiß für alle heilsam geendigt. Jeder hatte die deutlichen Worte vernommen und jeder die verständigen praktischen Lehren beherzigt. Der Bischof, der bisher im Freien unter seinem Baldachin geweilt hatte, kehrte zur Kirche zurück. Man vernahm aus derselben den Wiederhall des Te Deum. Das Ein- und Ausströmen der Menge war höchst bewegt, das Fest neigte sich zu seiner Auflösung. Die Processionen reihten sich um abzuziehen; die Lidenheimer, welche zuletzt angekommen waren, entfernten sich zuerst. –

Noch jetzt wird das St. Rochusfest gefeiert. Wenn die erste Traube reift, die dann den Altar des Heiligen schmückt, welchen das Volk, wie es heißt, auch als Schutzheiligen der Rebe verehrt, so gewinnt die kahle Höhe ein anderes Ansehen. Eine Stadt von Zelten entsteht, die für des Leibes Bedürfnis reiche Erquickungen darbietet, und die gewerbliche Thätigkeit entfaltet sich schon mehrere Tage vorher, Alles zu ordnen und zu bereiten, was dem müden Wallfahrer Labe gewähren kann. Endlich bricht der Morgen des Festes an. Das harmonische Geläute von Bingen und allen naheliegenden Orten des Rheingaues grüßt ihn, und der köstliche „Resonanzboden des Rheines“ trägt die ergreifenden, wundersamen Töne hinauf zu der steilen Höhe, das Gemüt dessen ergreifend und erhebend, der hier steht um die Festzüge und Processionen zu schauen, die mit wehenden Fahnen und Standarten, mit Musik und festlichen Gesängen sich der Kapelle nahen, welche auf des Berges Höhe ihre Thore öffnet.

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/104&oldid=- (Version vom 1.8.2018)