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Ein Ritter lebte zu Worms in Saus und Braus. Er war zuletzt verarmt. In dem alten mittelalterlichen Gebäude, welches er von seinen Vorfahren ererbt hatte, saß er halb trunken und leerte die letzte Kanne Weins aus dem väterlichen Weinkeller. Da erschien gleichfalls in ritterlicher Kleidung ein geheimnisvoller Gast. Der Ritter von Worms bot ihm zu trinken an. Zugleich rühmte er den alten, schon von seinen Vorfahren aufgesparten Wein. Der Fremdling kostete, sagte aber, das sei noch nichts. Fern im Süden habe er weit von Worms einen Wein gefunden, der wie Feuer durch die Adern der Menschen rolle und mit dem sich der Wein in dieser Kanne noch immer nicht vergleichen könne. Da wurde der Ritter von Worms unruhig, denn er liebte den Wein gar sehr.

Als der Fremdling das bemerkte, sagte er, es könne wohl Rat werden, daß der Ritter auch von dem feurigen Weine kosten dürfe. Ja, er wolle ihm bei der Liebfrauenkirche einen ganzen Weinberg mit solchen Wunderreben hinzaubern, wenn er ihm seine Seele dafür verschreiben wolle. Dabei ließ er den Ritter seinen Pferdefuß sehen, denn der unheimliche Gast war in der That kein Anderer als der leibhaftige Teufel.

Mit Entzücken sah dann der verarmte Ritter auch schon die grünen Rebengelände an einem Berge unweit der Liebfrauenkirche, der bis dahin wüst gelegen hatte. Er war in diesem Augenblicke seiner selbst nicht mächtig und verschrieb ohne Zögern dem Teufel seine Seele.

Kaum war der Satan verschwunden, so eilte der Mann auf seinen Weinberg. Schon standen die Reben in der schönsten Blüte. Der Sommer aber wurde immer goldiger und heißer. Unter fröhlicher Musik konnte der Ritter im Herbst darauf schon die schönsten Trauben keltern. Als er den ersten Becher auf seinem Weinberge leerte, tönte ernst und feierlich das Geläut der Liebfrauenkirche zu ihm herüber. Da beschloß er, den köstlichen Wein, welchen er geerntet hatte, Liebfrauenmilch zu nennen, zu Ehren der Mutter Gottes, an deren Bilde er als Winzer täglich vorüber gegangen war.

Nach einem Jahre erschien der Teufel wieder bei dem Ritter, um seine Seele nun in Empfang zu nehmen. „Folge mir“, sagte er zu ihm, „denn Du hast nun einen schönen Jahrgang von dem Blute

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/10&oldid=- (Version vom 1.8.2018)