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da trat das weiße Männchen näher und fragte sie, woher sie käme. Sie aber verhehlte nichts was sie erlebt hatte. Da erklärte das weiße Männchen, sie solle dort bleiben und es wolle schon für sie Sorge tragen. Wenn sie Hunger habe, solle sie nur sagen:

Tischchen decke dich,
Gläschen fülle dich, -

so würde Alles ankommen, was nur ihr Herz begehre. Das that sie auch, und so oft sie es sagte, kamen die leckersten Speisen und die kostbarsten Weine, und obenein stand noch etwas Marzipan auf dem Tische. So lebte sie einige Zeit in dem Hause, und war in der Regel dort ganz einsam, denn das weiße Männchen war meistens auswärts. Unterdeß kam ihr Gemahl wieder aus dem Kriege und vernahm Alles was mit ihr geschehen war. Nun stellte der König, der um seine Magdalene keine Ruhe hatte, eine große Jagd an, hatte auch selbst das Glück, am Abende in jenem Hause das Licht schimmern zu sehen, nachdem er sich von seinen Dienern und Genossen verirrt hatte. So kam er vor das Haus, klopfte an und die schöne Magdalene erkannte ihn sogleich an der Stimme. Allein der Löwe wollte nicht leiden, daß der König zu der jungen Frau hereinkäme. Da schlug sie den Löwen, da wurde er still und der König trat herein. Der fragte woher sie sei und warum sie in diesem kleinen Hause wohne. Sie aber bekannte Alles was mit ihr geschehen war. Da erkannte sie der König als seine Gemahlin und war voller Freude, daß mit der schönen Magdalene ein Wunder geschehen war und daß sie ihre Arme wieder erhalten hatte, und nun erst eine rechte Frau mit zwei schönen runden Armen aus ihr geworden war. Die Arme küßte er ihr inbrünstiglich und dann küßte er die Königin wieder auf den Mund, und so trieben sie es gar lange.

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_126.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)