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geht er in die Burg hinein und bittet um die Erlaubniß, sich dort besehen zu dürfen. Er erhält die Erlaubniß und sieht das Schloß noch an der alten Thür hängen, das der Starke hat hängen lassen, und weil gerade Niemand auf ihn achtet, so nimmt er's herab. Wie er nun an dem Schlosse versuchsweise krickelt (denn er kannte seine Eigenschaften gar wohl), kommen sogleich viele Geister an und fragen, was er beföhle. Da spricht er: „Ich befehle, daß diese Burg sogleich hinter dem Berge steht, wo weder Sonne noch Mond hinscheint, und daß ich da mit der jungen Königin allein sein will. Ihr Geister sollt uns bedienen, wenn ich euch mit dem Schlosse herbeizaubere, die ganze Dienerschaft auf der Burg aber sollt ihr bei Wasser und Brot in den Burgthurm sperren. Ich werde die schöne Königin heirathen und werde mit ihr wohnen hinter dem Berge, wo weder Sonne noch Mond scheint. Das wird eine Lust werden.“

Die Geister verneigten sich tief, und das war eins, zwei, drei, da stand die Burg auch schon hinter dem Berge, wo weder Sonne noch Mond scheint, die Dienerschaft aber war bei Wasser und Brot ins Burgverließ gesperrt. Im Zimmer der Königin brannten ein paar Wachskerzen, da trat der Jude zu ihr und verkündigte ihr, daß sie ihren Gatten nimmer wiedersehen solle und daß er selbst sie zu heirathen gedächte. Darüber vergoß die Königin viele Thränen und sie weigerte sich standhaft, dem Juden die Hand zu reichen. So verging Tag auf Tag, und der Jude ward nicht müde, die Königin mit seinen Anträgen zu bestürmen. Deshalb weinte sie immer fort vor Scham und Zorn, und ihr Antlitz war ganz von Thränen geröthet.

Nicht lange nachdem das Schloß hinter den Berg versetzt war, wo weder Sonne noch Mond hinscheint, kehrte der König zurück von der Jagd. Als er sieht, daß die Burg

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_040.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)