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des Zimmers, hört aber den Lehrling jetzt stillschweigend an. Der sagt, er wolle sie erlösen, und verwandelt sich vor ihren Augen in einen Löwen, in einen Windhund, einen Raben und eine Ameise, damit sie Vertrauen zu seinen Künsten faßt und in Zukunft nicht mehr vor ihm erschrickt.

Die Prinzessin berieth von jetzt an häufig mit dem Lehrling, der sich stets in eine Ameise verwandelte, so oft er den Mann ohne Leib kommen sah, wie sie erlöst werden könne, und der Lehrling gab ihr den Rath, den Mann ohne Leib einmal über seine ganze Verwünschung auszufragen. Nun hat die Prinzessin einen Tag um den andern den Mann ohne Leib lausen müssen und dabei fragte sie ihn denn einmal aus, wie es mit seiner Verwünschung stände und wie sie selbst erlöst werden könnte. „Du bist sehr kühn“, antwortete ihr der Mann ohne Leib auf ihre Frage, „doch will ich dir Alles der Wahrheit gemäß sagen. Unten im Thale, das du aus dem Fenster des Schlosses erblickst, steht eine Riesenhütte. Der Riese, der darin ist, muß getödtet werden; aus seinem Leibe springt dann ein Hase hervor und der Hase muß auch getödtet werden; aus ihm flattert eine Taube hervor, die Taube muß auch getödtet werden. Die Taube hat ein Ei in sich, das Ei muß ohne mein Wissen auf meinem Kopfe zerschlagen werden, dann sind wir Beide, du und ich, erlöst.“

Der Lehrling hat Alles als Ameise mit angehört, und als der Mann ohne Leib das Zimmer verlassen hat, will er sogleich als Rabe aus dem Schlosse fliegen und mit dem Riesen kämpfen. Die Prinzessin weint bitterlich und will ihn anfangs nicht ziehen lassen, doch er läßt sich nicht halten und fliegt als Rabe davon.

Sobald er vor dem Schlosse war, verwandelte er sich in einen Menschen und stieg ins Thal hinab. Unterwegs begegnete ihm eine alte Frau, die fragte, wohin er denn wolle.

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Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen. Leipzig 1853, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Kinder-_und_Volksmaerchen_027.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)