In jeder Gewandung muss man die tiefe Rumpfbeuge nach vor- und rückwärts, die tiefe Kniebeuge, das Anfersen, das Beinheben nach vor- und seitwärts, den Port-de-bras nach auf- und seitwärts, das Arm-Stossen nach unten, oben, seit- und vorwärts in unbeschreiblich beschleunigtem Tempo ausführen können! Jedes Gewand sei von selbst auch ein Turn- und Tanz-Gewand! Ein Schutz der Beweglichkeit und Freiheit! Eine zarte diskrete Hülle deiner lebendigen Kräfte! „Ein Turngewand?!? Eben dasselbe ist es, in dem ich auch das Kaiserliche Opernhaus besuche!“
Werde so fein, so empfindlich in deinen idealen
Träumereien, dass ein unelastischer Gang, eine
ungeschickte Gebärde beim Grüssen oder sich erheben
von einem Sessel, dich bereits tief enttäuschen
könnten und ernüchtern! Dann bist du gefeit gegen
diesen Feind „Unzulänglichkeit“!
In einer süssen sanften edlen Stimme jedoch wieder kann
bereits ein ganzer tiefer Mensch verborgen liegen! Grabe ihn
daher aus, mit allen seinen Schätzen, vorsichtig, und
folge nur getrost dem Laute dieser menschlich-süssen
Stimme! Sie wird dich nicht irreleiten!
Denn Gottes Stimme tönt nur aus Gott-Ähnlichen!
Peter Altenberg: Pròdromos. Berlin 1906, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prodromos_(Altenberg).djvu/046&oldid=- (Version vom 1.8.2018)