Auch der Leib muss sich erst sehnen, nach Reinlichkeit, um zu exzeptioneller Kraft zu gelangen! Die Hautporen müssen gleichsam bereits weinen nach lauem Wasser und milder Seife! Dann komme die Erlösung über sie! Heilige Rache der Armen. Sie sind gezwungen, auf die Notwendigkeit zu warten!
Ein laues Bad (27°) sei ein königliches
Fest deiner Haut! Sie sehne sich ihm direkt entgegen,
wie der Liebende nach der Geliebten! Sie geniesse es wie eine
Erlösung, leidenschaftlich. Verwöhne doch diese
Zarteste nicht durch immerwährende Feste. Die Haut
gewöhnt sich rasch an den Luxus und wird schlaff. Einem
Menschen, der nur einmal in der Woche lau badet, merkt man es
sogleich an. Wie nach einem kurzen Aufenthalt am Semmering
wird er! Stoffwechsel-beschleunigt! Verjüngt. Aber der,
der täglich lau badet, hat die stumpfe
gleichmässige Physiognomie des reinlichen
Alltag-Menschen. Das laue Bad sei ein Reiz, eine
Erlösung, ein exzeptionelles Glück für die
Haut!
Die Wahrheiten, die Erkenntnisse liegen schlapp, fast leblos
in uns, ohne elastische Kraft und Spannung. Sie müssen
erst zur Macht von „fixen Ideen“ auswachsen, um in uns zu wirken! Wir müssen irrsinnig an ihnen werden können.
Der Fanatismus von Dreh-Derwischen ist da gerade
Peter Altenberg: Pròdromos. Berlin 1906, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prodromos_(Altenberg).djvu/039&oldid=- (Version vom 1.8.2018)