zu verzichten. Es ist nun unser Ziel, die Dynamik des Elektrons rein elektromagnetisch zu begründen; daher dürfen wir ihm ebensowenig Elastizität, wie materielle Masse zuschreiben. Wir hoffen umgekehrt die Trägheit und die Elastizität der Materie auf Grund der elektromagnetischen Auffassung verstehen zu lernen.
Eine der soeben angedeuteten verwandte Überlegung mag Heinrich Hertz geleitet haben, als er in seinen „Prinzipien der Mechanik“ nur solche kinematische Zusammenhänge zuließ, deren Bestehen weder Erzeugung noch Zerstörung kinetischer Energie bedingt. Das war notwendig, weil er alle Energie auf kinetische Energie bewegter Massen, alle Kräfte auf kinematische Verbindungen zurückführen wollte. Dem Einwande, daß wir starre Verbindungen in Wirklichkeit nur angenähert realisiert finden, begegnet Hertz mit den Worten:[1] „auf der Suche nach den wirklichen starren Verbindungen wird unsere Mechanik vielleicht zur Welt der Atome herabzusteigen haben“. Nun, die elektromagnetische Mechanik steigt noch weiter herab; in den Atomen der negativen Elektrizität, diesen Kugeln, deren Radius nur den billionten Teil eines Millimeters beträgt, nimmt sie eine starre, unveränderliche Anordnung der elektrischen Ladung an. Daß es zulässig ist, von starren Verbindungen zu reden, bevor man von Kräften gesprochen hat, das hat Hertz überzeugend dargetan. Unsere Dynamik des Elektrons unterläßt es überhaupt, von Kräften zu reden, die das Elektron zu deformieren bestrebt sind. Sie spricht nur von „äußeren Kräften“, die ihm eine Geschwindigkeit oder Drehgeschwindigkeit zu erteilen vermögen, und von „inneren Kräften“, die, vom Felde des Elektrons herrührend, jenen das Gleichgewicht halten. Und auch diese „Kräfte“ und „Drehkräfte“ sind nur Hülfsbegriffe, die definiert werden durch die kinematischen und die elektromagnetischen Grundbegriffe. Das Gleiche gilt von Worten wie „Arbeit“, „Energie“, „Bewegungsgröße“, bei deren Wahl allerdings das Bestreben maßgebend war, die Analogie der elektromagnetischen Mechanik zur gewöhnlichen Mechanik materieller Körper deutlich hervortreten zu lassen.
Die Feldgleichungen und die dynamischen Grundgleichungen
- ↑ H. Hertz, Die Prinzipien der Mechanik p. 41. Leipzig 1894.
Max Abraham: Prinzipien der Dynamik des Elektrons (1903). Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1903, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Prinzipien_der_Dynamik_des_Elektrons_(1903).djvu/5&oldid=- (Version vom 27.7.2016)