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sondern auch dazu benutzt wurden, um echte Urkunden verschiedener Herrscher desselben Archivbestandes, deren Siegel verloren gegangen, wieder mit Siegeln zu versehen.[1]

Hieraus ergibt sich, daß, da das Siegel seiner Natur nach ein inhärierender Bestandteil des Schriftstücks ist, ein unechtes Siegel eine im übrigen makellose Urkunde nicht verdächtigen, noch ein echtes und noch so geschickt befestigtes Siegel an einem sonst Verdacht erregenden Diplome, nach moderner Anschauung, dieses vor Verurteilung schützen kann[2].

Wird also ein unanfechtbares Siegel die Glaubwürdigkeit eines Originales erhöhen, so wird eine offenkundige Siegelfälschung, mit anderen verdächtigen Merkmalen zusammenfallend, uns darin bestärken, es als Fälschung anzusehen.

Sehr häufig hat man Kopien, wenn man ihnen überhaupt die Formen der Originale zu geben trachtete, gleichfalls durch Siegel zu beglaubigen gesucht[3].

Man ging aber weiter und versuchte verunechteten Kopien oder geradezu Fälschungen auf solche Weise den Schein der Beglaubigung zu verleihen[4].

Eine besondere Art der Kopien, die nicht bloß den Wortlaut der Originale widergeben, sondern auch die graphischen Merkmale derselben ganz oder teilweise nachzuahmen sich bemühen, sind die Nachzeichnungen[5]. Eine mehr oder weniger große Zahl ist auch in dem offenbaren Bestreben, der Kopie das Ansehen eines Originals zu geben, mit echtem oder falschem Siegel versehen worden[6].

Vielfach wird das Streben vorgewaltet haben, für den Verlustfall des Originals eine möglichst getreue


St. 2401 (II, Taf. 40, 5). Heinrich III. Urkunde echt mit falschem Siegel. Vgl. S. 113.

St. 2755 (II, Taf. 42, 5). Heinrich IV. Urkunde echt. Siegel vielleicht Nachahmung von Heinrich II. 2 (I, Taf. 11, 2). Vgl. S. 115.

St. 2971 (II, Taf. 44, 4). Heinrich IV. Urkunde echt. Siegel Nachahmung von Heinrich III. 4 (I, Taf. 15, 1). Von demselben Stempel Heinrichs V. St. 3236 Heinrich V. (II, Taf. 47, 4). Vgl. S. 113, 116, 117.

St. 3177 (II, Taf. 47, 3). Heinrich V. Echte Urkunde mit falschem Siegel, Nachbildung von Heinrich V. 3 (I, Taf. 19, 3). Vgl. S. 117.

St. 3452 (II, Taf. 49, 12). Konrad III. Interpoliert im 14. Jahrhundert, mit einem wahren Monstrum von Siegel versehen. Vgl. S. 117. Posse, Lehre von den Privaturk. 145, Anm. 1.

St. 3521 (IV, Taf. 81, 7). Konrad III. Echte Urkunde mit grobgefälschtem Siegel. Nachahmung eines Siegels Lothars III. Vgl. S. 117.

St. 3732 (II, Taf. 49, 4). Friedrich I. Falsches Siegel. Der Inhalt der Urkunde gibt zu Bedenken nicht Anlaß. Die Befestigung des ungeschickt hergestellten, von den bekannten Typen sehr abweichenden Siegels, ist ungewöhnlich. Vgl. S. 118.

St. 4954 (I, Taf. 23, 3). Heinrich VI. Echte Urkunde, mit unechtem, Heinrich VI. (I, Taf. 23, 2) roh nachgebildeten Siegel, das der Urkunde nach Verlust des echten später zugefügt wurde. Vgl. S. 119. 170 Anm. 1.

BF 1599 (II, Taf. 50, 3). Friedrich II. Großes Privilegium in entsprechender äußerer Ausstattung und zeitgemäßer Schrift. Nachahmung des echten Siegels (I, Taf. 29, 1), ohne Beigabe des Titels als König von Jerusalem. Vgl. S. 119. 229.

Urkunde des Königs Matthias 1612 Jan. 3 (III, Taf. 46, 1. 2). Echte Urkunde mit gefälschtem Doppelsiegel. Vgl. S. 71. 123.

  1. St. 2365 und 2394. Vgl. S. 216. 220.
  2. Wibel (Archiv f. Urkundenf. 3, 85) weist darauf hin, daß weder das augenscheinlich echte Siegel, noch das ebenso für das Auge legal vollzogene Monogramm gegenüber ernstlichen Verdachtsgründen noch die Gewähr für die Originalität des angezweifelten Stückes bilden, denn man verstand es, echte Siegel zu übertragen oder durch mechanische Abformung schwer erkennbare Fälschungen herzustellen, man verstand aber auch durch Anwendung verschiedener Tinten den Eindruck hervorzurufen, als sei der sogenannte Königsstrich wirklich in das vorgezeichnete Monogramm nachträglich eingezeichnet worden. Es hat sich ferner herausgestellt, daß schon frühzeitig einzelne Fälscher im Dienste verschiedener Auftraggeber arbeiteten, wodurch der Satz von der „bekannten Hand“ eine gewisse Einschränkung erfuhr. Schließlich hat man nachweisen können, daß Beamte der kaiserlichen Kanzlei nach dem Austritt aus dem Dienst ihre Kenntnisse zu Fälschungen benutzt haben [MR 1478 (1535)], wonach also selbst die Hand eines Kanzleibeamten nicht mehr unter allen Umständen die Echtheit zu garantieren vermag, ganz abgesehen von der gewiß auch vorgekommenen Erwerbung von Urkunden, die durch ungetreue Beamte während ihrer Dienstzeit in unanfechtbaren Formen hergestellt und überhaupt nicht als Fälschungen nachweisbar sind. Vgl. auch Meister 1, 164 und 1, 4 S. 58.
  3. MR 613 (593) (II, Taf.52, 9). Urkunde Ludwigs des Frommen 816 Mai 2 (Dronke, Cod. dipl. Fuld. 155 No. 322). Obgleich man das Original mit ursprünglichem Siegel besaß, hat man der Dinge nicht kundig, eine Abschrift (Nachzeichnung des 10. Jahrhunderts) mit einem Siegel Ludwigs des Deutschen (I, Taf. 2, 6) gewählt, nicht Ludwigs des Kindes, wie Sickel, Acta 1, 368; 2, 109, annimmt. Vgl. S. 102.
    St. 951 (Mon. Germ. DD 79) Otto III. Kopie des 12. Jahrhunderts in Diplomform, mit Spuren eines ehemaligen aufgedrückten Siegels und Kopie des 13. Jahrhunderts mit Pergamentstreifen von zwei behufs Beglaubigung angehängten Siegeln Ottos III.
    St. 957 (Mon. Germ. DD 876 B). Durch Zusatz verunechtete Kopie in Diplomform Ende des 12. Jahrhunderts. In einer Kapsel des Karlsruher Archivs werden die Bruchstücke des zu diesem Diplom gehörigen Siegels bewahrt (= I, Taf. 9, 4).
    St. 1286 (Mon. Germ. DD 80) Otto III. Kopie des 12. Jahrhunderts in Diplomform, Siegel verloren. Das mittels Kreuzschnitts befestigte Siegel hat auf dem Pergamente deutliche Abdrücke hinterlassen.
    St. 959 (Mon. Germ. DD 88) Otto III. Kopie des 12. Jahrhunderts in Diplomform. Siegelspuren wie St. 1286.
  4. MR 614 (594) (II, Taf. 30, 7). Privaturkunde. Wie der Titel imperator Romanorum verrät die Unterschrift Ludwigs des Frommen in einer um 1100 geschriebenen Kopie im Staatsarchiv Marburg (Dronke, Cod. dipl. Fuld. 156 No. 323) deren Fälschung. Man hat sie mit einem Siegel zu beglaubigen versucht, das eine Nachbildung von Ludwigs des Frommen No. 2 (I, Taf. 1, 7), nicht aber, wie Sickel, Acta 1, 190. 369; 2, 412 meint, Abguß eines echten Siegels ist. Vgl. S. 102.
    St. 952 B Ottos III. Urkunde ist fast gleichzeitige Kopie, in der die Schrift von St. 952 nachgeahmt, die Orthographie jedoch vielfach geändert worden ist. Erst im 13. Jahrhundert ist der Versuch gemacht worden, auf B mit Hilfe von Pergamentstreifen ein Siegel anzubringen, von dem jetzt nur noch geringe Reste vorhanden sind.
  5. Breßlau, Urkundenlehre 1, 89.
  6. MR 1444 (1403). Ludwig der Deutsche. Außer dem Original findet sich noch eine Kopie des 10. Jahrhunderts, die die Urkundenschrift nachahmt und früher besiegelt war. Das Siegel, dessen Umfang nach dem noch kenntlichen Abdruck den eines echten Siegels Ludwigs bedeutend überschritt, war zwischen Signumzeile und Rekognition befestigt. Die Urkunde war wohl nur angefertigt worden, um das Original nicht durch häufigeren Gebrauch bei Vorlage derselben, zu sehr abzunutzen.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0223.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)