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auch der Versuch, verletzte Siegel zu reparieren[1]. War man nicht im Besitze eines echten verwendbaren Siegels, so ist man dazu geschritten, neue, falsche Siegel anzufertigen, um dem Original zu der ihm verloren gegangenen Beweiskraft zu verhelfen. Hierbei sind vielfach echte Siegel als Vorlage zur Nachbildung benutzt oder auch freie Gebilde, Phantasiesiegel, geschaffen worden[2], die nicht bloß im Einzelfalle,


BF 170. Kanzleimäßige Urkunde Philipps. Über der Plikatur im einfachen Pergamente nur ein Loch für die Siegelfäden angebracht. Vor allem aber hängt an den anfangs zopfartig geflochtenen, dann wieder losen roten Seidenfäden ziemlich weit von der Urkunde entfernt, nicht das Siegel Philipps, sondern Friedrichs II., und zwar das in der Zeit von 1212–15 von ihm geführte Siegel (I, Taf. 27, 6). Am unteren Rande des Siegels sieht man dagegen Löcher, aus denen kurze Reste von grünen Fäden herausragen. Alles dürfte dafür sprechen, daß hier nicht nachträgliche Besiegelung einer Urkunde Philipps durch Friedrich II. vorliegt, sondern das Siegel Philipps ursprünglich an der Stelle gehangen hat, wo die Flechtung der Fäden aufhört, dasselbe bei irgend einer Gelegenheit zu Grunde gegangen und eigenmächtig seitens des Besitzers durch ein anderweit abgelöstes Siegel Friedrichs II. ersetzt worden ist. Vgl. Sybel und Sickel, Kaiserurkunden in Abb. 439. Vgl. S. 221.

BR Reg Ludwigs IV. 1314 Dez. 24 (II, Taf. 57, 4, 4) mit dem Siegel Rudolfs I. (I, Taf. 40, 5). Vgl. S. 122.

Urkunde Wenzels 1365 Okt. 22 (Or. Wien). An rot-gelber baumwollener Schnur hängt ein echtes Majestätssiegel Karls IV., doch ist es einer andern Urkunde entnommen, denn es hatte ursprünglich Pergamentstreifen, an deren Enden oben und unten die Schnur angenäht ist. Man hat hier wohl nur den Verlust des richtigen Siegels in unrichtiger Weise ergänzt. Lindner a. O. 207.


  1. St. 4969 Urkunde Heinrichs VI., mit ungewöhnlich breitem Siegelband aus rot-weißem Leinenstoff. Bei näherer Untersuchung erkennt man, daß die Bänder unmittelbar unter der Siegelplatte angebracht sind. Wahrscheinlich war das Originalsiegel der Urkunde, sowie der mit ihr zusammenhängenden Privaturkunde 1195 Nov. 10 (Cod. dipl. Sax. reg. I. 2, 595), die das gleiche Siegelband zeigt, abgefallen. Sie zu retten, schnitt man mit scharfem Instrumente Siegelrand und Siegelbild weg und legte, nachdem das neue Band eingezogen, eine neue Wachsschicht unter. Vgl. Posse a. O. 150.
  2. MR 390 (383) (II, Taf. 30, 1. 2). Echte Urkunde Karls des Großen mit einem Siegel Ludwigs des Frommen (I, Taf. 1, 6), das uns leicht als Abguß eines echten Siegels erkennbar ist und mit einer Wachsschicht überzogen wurde. Vgl. S. 100.
    MR 1360 (1321) (II, Taf. 31, 3). Ludwig der Deutsche. Echte Urkunde, als Ersatz für das echte, ein wahres Monstrum. Vgl. S. 103.
    St. 32 (II, Taf. 33, 4) Heinrich I. Echte Urkunde. Siegel durch zweimaliges Aufdrücken des Stempels unkenntlich gemachtes Bild, wohl das eines Abtes. Vgl. S. 105.
    St. 632 (II, Taf. 34, 8) Otto I. Echte Urkunde mit falschem Siegel. Vgl. S. 106.
    St. 902 (IV, Taf. 78, 4) Otto III. Echte Urkunde. Siegel Nachahmung von Otto II. 4 (I, Taf. 8, 5). Vgl. S. 107.
    St. 985 (II, Taf. 35, 5) Otto III. Zeitgemäße Schrift. Ob echt? Siegel Nachahmung von Otto III. 2 (I, Taf. 9, 4). Vgl. S. 107.
    St. 1110 (II, Taf. 35, 7) Otto III. Echte Urkunde. Das daran künstlich befestigte Siegel höchstwahrscheinlich Nachahmung von Heinrich III. (I, Taf. 15, 1). Vgl. S. 108.
    St. 1112 (IV, Taf. 78, 6) Otto III. Echte Urkunde. Das Siegel ist trotz der Zweifel der Mon. Germ. (DD Otto III. 245) nicht Otto III. 4 (I, Taf. 9, 6), sondern von einer echten Urkunde Ottos II. (I, Taf. 9, 1. 2) übertragen, wie schon Foltz (N. Archiv 3, 35) annahm. Vgl. S. 108.
    St. 1315 (II, Taf. 36, 2) Heinrich II. Echte Urkunde für Kloster Werden. Daran ein Siegel Heinrichs III., Nahahmung Heinrich III. 1 (I, Taf. 14, 1). Dasselbe Siegel (II, Taf. 33, 3) befindet sich an der Nachzeichnung (Anfang 11. Jahrhunderts) der Urkunde Heinrichs I. (St. 30) für dasselbe Kloster. Vgl. S. 109, 112.
    St. 1519 (II, Taf. 36, 5) Heinrich II. Echte Urkunde, mit falschem Siegel; das echte Siegel dieser Urkunde wurde verwendet für die Anfang des 12. Jahrhunderts angefertigte Fälschung St. 1520 (II, Taf. 54, 4), mittels einer angegossenen Wachsschicht künstlich auf dem Pergament befestigt. Vgl. S. 109, 112.
    St. 1524 (II, Taf. 36, 5) Heinrich II. Echte Urkunde mit Siegel Nachahmung von Heinrich II. 2 (I, Taf. 11, 2), auch an weiteren sieben echten Würzburger Urkunden (St. 1337, 1370, 1488, 1489, 1583, 1584, 1638). Dasselbe Siegel findet sich auch an St. 1310 einer Fälschung des 11. Jahrhunderts. Dieselben sind nachträglich angebracht, während die abgelösten echten Siegel zur Beglaubigung falscher Exemplare dienen sollten. Von demselben Siegelfälscher rühren auch die Siegel Konrads II., (gefälscht nach I, Taf. 12, 4) an den beiden echten Urkunden St. 1888 und 1889 (I, Taf. 12, 2. 3) her. Vgl. S. 108, 109, 111, 166.
    St. 1538. Heinrich II. Man machte statt des üblichen Kreuz- oder Sternschnittes ein kleines Loch in das Pergament, worauf dann ein echtes Siegel Heinrichs III. (I, Taf. 11, 2) aufgeklebt wurde, das jetzt lose aufliegt. Die Authentizität der Urkunde ist verbürgt, da diese von Guntherus A (vgl. Sybel und Sickel, Kaiserurk. in Abb. VI, Taf. 2, Text S. 110 und Kehr, Merseburg. Urkundenb. 1, 40) geschrieben ist. Vgl. S. 110.
    St. 1680 (IV, Taf. 79, 1). Echte Urkunde, anscheinend Nachbildung des echten Siegels (I, Taf. 11, 3). Vgl. S. 110.
    St. 2164. Heinrich II. Echte Urkunde, mit im 11. Jahrhundert nach Heinrich III. (I, Taf. 14, 1) gefälschtem Siegel, das sich auch an der im 11. Jahrhundert entstandenen Nachzeichnung Heinrichs I. (St. 30), ebenfalls für Werden, befindet. Damals ist wohl auch das verlorene echte Siegel durch das falsche Siegel ersetzt worden. Vgl. S. 100, 104, 112, 223.
    St. 2218 (II, Taf 40, 1). Heinrich III. Urkunde echt. Ein Stück unbeprägten Wachses. Auch St. 2219 (IV, Taf. 79, 5). Die Feststellung, daß an zwei zeitlich benachbarten, in der Kanzlei geschriebenen Diplomen Heinrichs III. für verschiedene Empfänger (St. 2218 für Nienburg, St. 2219 für Kaufungen), deren Originalität unzweifelhaft ist, sich Wachsklumpen befinden, die zwar äußerlich Siegelform aufweisen, aber keine eigentliche Beprägung zeigen, schließt die Annahme zufällig gleichartiger Siegelfälschung aus, während Fälschung dieser Art jedenfalls der an der angefochtenen Urkunde Heinrichs IV. (St. 2775. II, Taf. 43, 1) befindliche Wachsklumpen ist. Ebensowenig ist denkbar, daß gerade hier (bei St. 2218 und 2219) und unter den Siegeln des früheren Mittelalters sonst ohne Beispiel zufällig beide Male eine beprägte Schicht herausgefallen oder nachträglich entfernt worden ist. Man muß vielmehr annehmen, daß entweder die Besiegelung tatsächlich nicht stattgefunden hat, oder was die sichtbaren Spuren an St. 2218 wahrscheinlicher machen, die stattgefundene Besiegelung sogleich wieder unkenntlich gemacht worden ist. Die Kanzlei muß dann die Diplome in solchem Zustande herausgegeben haben, anscheinend nur, weil der Siegelstempel nicht zur Hand war oder weil die erneute Besiegelung versehentlich unterlassen wurde, ohne daß dadurch die rechtliche Gültigkeit der Verleihungen aufgehoben werden sollte. Denn wenn selbst nach der Vollziehung des Monogrammes noch eine Willensänderung des Königs eingetreten sein sollte, so würde man schwerlich die ungültigen Diplome in dieser Weise den Parteien ausgefolgt haben. Da beide Diplome von dem Italiener KA geschrieben sind, wäre denkbar, daß sie zunächst versehentlich mit dem zweiten Siegeltyp Heinrichs (I, Taf. 14, 2) beprägt worden sind, der sonst zuerst an St. 2225 überliefert ist – die früheren italienischen Diplome Heinrichs haben keine erhaltenen Siegel –, wohl zunächst nur für italienische Empfänger bestimmt war, in deutschen Diplomen ist er erst vier Jahre später mit Sicherheit nachweisbar und dann in ständigem Gebrauch. (Wibel). Vgl. S. 112. – Ähnlich verhält es sich mit dem Siegel an dem ebenfalls sicheren Diplom Heinrichs V. St. 3092 (II, Taf. 46, 1). Heinrich V. Urkunde echt. Siegel Wachsmasse, ohne eine Spur von Bild und Schrift, wie es scheint unbeprägt. Vgl. S. 116.
    [222] St. 2401 (II, Taf. 40, 5). Heinrich III. Urkunde echt mit falschem Siegel. Vgl. S. 113.
    St. 2755 (II, Taf. 42, 5). Heinrich IV. Urkunde echt. Siegel vielleicht Nachahmung von Heinrich II. 2 (I, Taf. 11, 2). Vgl. S. 115.
    St. 2971 (II, Taf. 44, 4). Heinrich IV. Urkunde echt. Siegel Nachahmung von Heinrich III. 4 (I, Taf. 15, 1). Von demselben Stempel Heinrichs V. St. 3236 Heinrich V. (II, Taf. 47, 4). Vgl. S. 113, 116, 117.
    St. 3177 (II, Taf. 47, 3). Heinrich V. Echte Urkunde mit falschem Siegel, Nachbildung von Heinrich V. 3 (I, Taf. 19, 3). Vgl. S. 117.
    St. 3452 (II, Taf. 49, 12). Konrad III. Interpoliert im 14. Jahrhundert, mit einem wahren Monstrum von Siegel versehen. Vgl. S. 117. Posse, Lehre von den Privaturk. 145, Anm. 1.
    St. 3521 (IV, Taf. 81, 7). Konrad III. Echte Urkunde mit grobgefälschtem Siegel. Nachahmung eines Siegels Lothars III. Vgl. S. 117.
    St. 3732 (II, Taf. 49, 4). Friedrich I. Falsches Siegel. Der Inhalt der Urkunde gibt zu Bedenken nicht Anlaß. Die Befestigung des ungeschickt hergestellten, von den bekannten Typen sehr abweichenden Siegels, ist ungewöhnlich. Vgl. S. 118.
    St. 4954 (I, Taf. 23, 3). Heinrich VI. Echte Urkunde, mit unechtem, Heinrich VI. (I, Taf. 23, 2) roh nachgebildeten Siegel, das der Urkunde nach Verlust des echten später zugefügt wurde. Vgl. S. 119. 170 Anm. 1.
    BF 1599 (II, Taf. 50, 3). Friedrich II. Großes Privilegium in entsprechender äußerer Ausstattung und zeitgemäßer Schrift. Nachahmung des echten Siegels (I, Taf. 29, 1), ohne Beigabe des Titels als König von Jerusalem. Vgl. S. 119. 229.
    Urkunde des Königs Matthias 1612 Jan. 3 (III, Taf. 46, 1. 2). Echte Urkunde mit gefälschtem Doppelsiegel. Vgl. S. 71. 123.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 221. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0222.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)