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dessen Nachfolgern. Das erstere ist namentlich im 10. und 11. Jahrhundert nicht selten vorgekommen[1].

Der Widerspruch erklärt sich leicht bei Urkunden, die vom Wahl- oder Krönungstage oder unmittelbar darauf datiert sind.

In der Regel scheint die Kanzlei bereits am Tage der Königs- oder Kaiserkrönung im Besitz des neuen Siegelstempels gewesen zu sein, wie ja dessen Herstellung gewiß mit zu den übrigen Krönungsvorbereitungen gehörte. Je kürzer die Zeit zwischen Wahl und Krönung, je weniger Zeit dem Siegelstecher für seine Arbeit gelassen war, um so weniger befriedigend sind die Resultate. Eine größere Zahl dieser ersten Stempel ist künstlerisch minderwertig und deshalb auch bald durch bessere Stücke ersetzt worden[2]. Vielfach dürfte die Kanzlei schon von vornherein diese Erststempel als provisorische angesehen haben.

Jedenfalls sind die am Königswahltage oder wenige Tage darauf ausgestellten Urkunden erst nachträglich unter dem Tage der Handlung besiegelt worden[3], während solche vom Kaiserkrönungstage mit dem an diesem Tage bereits vorliegenden neuen Stempel besiegelt wurden[4], denn die Krönung des Königs zum Kaiser kam nicht unerwartet, und es konnte daher längere Zeit vorher dem Sieglestecher der Auftrag erteilt werden[5]. Und an solchen Tagen ließ man es nicht gern an Gnadenbeweisen fehlen.

Wie eilig es die Kanzlei mit der Herstellung der neuen Königssiegel hatte, beweist die des Königssiegels Friedrichs I. Der Künstler, der dieses lieferte, ist in der Umgebung des Abtes Wibald von Stablo und Corvey, vielleicht in Corvey selbst zu suchen. Friedrich I. war gewählt 5. März 1152, die Krönung in Aachen fand drei Tage später am 8. März statt. Darauf wurde schon am 12. März, also sieben Tage nach der Wahl, die erste Urkunde besiegelt, und zwar mit demselben Stempel, der in der übrigen Königszeit gebraucht wurde[6].

Dieser Stempel ist künstlerisch so schön ausgeführt, daß er unmöglich nur in wenigen Tagen hergestellt sein kann. Aber schon am 18. März muß er fertiggestellt gewesen sein, denn an diesem Tage sandte Wibald einen silbernen Stempel an die Kanzlei, am 27. März war auch das Instrument zum Bullieren fertig geworden. Und gleichzeitig mit diesem übermittelte er einen genau nach dem Muster des silbernen angefertigten Stempel aus Zinn nach Aachen, zusammen mit zwei fertigen Goldbullen, Avers und Revers der Königsgoldbulle.

Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts pflegten sich die gewählten Könige bis zu der in der Regel rasch auf die Wahl folgenden Krönung ihrer bisherigen fürstlichen Siegel zu bedienen[7].

Im 15. Jahrhundert waren die Zwischenzeiten zwischen Wahl und Krönung so bedeutend, daß das bisherige Auskunftsmittel nicht mehr genügen konnte,


  1. Urk. Otto I. St. 57 ist mit einem Stempel besiegelt, der in der Zeit vom 13. Juni bis 9. Aug. 952 eine neue Fassung erhielt (IV, Taf. 73, 3) Mit diesem sind auch St. 56 und 58 besiegelt. Da der größere Teil von St. 56 von demselben Manne geschrieben wurde, der St. 57 und 58 mundierte, so sind die drei Urkunden als Neuausfertigungen anzusehen, die in den durch St. 212–216 gesteckten Grenzen geschrieben wurden, wobei dann St. 57 noch mit der alten Fassung, St. 56 und 58 mit der neuen Fassung besiegelt worden sind. Vgl. S. 11. Wegen der Neuausfertigungen vgl. Posse, Lehre von Privaturkunden S. 77. Breßlau UL. 665. – Nach dem Tode des Erzkanzlers Hattos († 17. oder 18. Jan. 970) und bis zum Antritt (wohl 13. April) seines Nachfolgers Rupert sind unterdes letzteren Rekognition und unter Siegel 4 und 5 Urkunden Ottos I. hergestellt (St. 481, 483, 485, 486, 487a, 488), Neuausfertigungen und Datierung nach den Entschließungen des Kaisers. Aber auch schon am Todestage und in der Zeit, in der die Todesnachricht Hattos aus Mainz noch nicht bei der in Pavia weilenden Reichskanzlei eingetroffen sein konnte, wurde unter Rekognition des inzwischen Verstorbenen gesiegelt (St. 476b, 477). Vgl. S. 164.
  2. MR 2071 (2012), Mon. Germ. DD 1, Konrad I., 911 Nov. 10. Der an dieser wahrscheinlich am Krönungstage selbst ausgestellten Urkunde vorkommende Stempel (I, Taf. 6, 1) war offenbar in Eile hergestellt und ist bald durch einen besseren (I, Taf. 6, 2) ersstzt worden.
  3. St. 1852, Konrad II., 1024 Sept. 9, einen Tag nach der Wahl. Die Urkunde ist vermutlich nach der Handlung datiert, und die Besiegelung erst einige Zeit später erfolgt. Vgl. Ficker, Baiträge 2, 202, N. Archiv 6, 552, Breßlau, Jahrb. Konrads II. 1, 34.
  4. St. 1067, Mon. Germ. DD. 2, 605, Otto III., 990 Mai 22. Ausgestellt: die imperialis consecrationis eius tertio. Die Krönung fand aber am 21. Mai statt.
    Karl IV. Wahl 11. Juli, Krönung 26. Nov. 1346. Das Thronsiegel (II, Taf. 1, 5) war schon am Krönungstage fertig.
    Maximilian I. Wahl 16. Febr., Krönung 9. April 1486. III, Tafel 4, 4 schon am Krönungstage nachweisbar.
  5. König Sigismund gab bereits am 5. Nov. 1417 den Stich des Kaiserstempels in Auftrag, der erst 31. Mai 1433 zur Verwendung kam. Vgl. S. 47.
  6. Vgl. S. 142 und 169. Schum (Sybel und Sickel, Kaiserurk. in Abb. S. 382) spricht von einem Interimsstempel, der nach dem Briefe Wibalds (No. 377) vor dem 18. März 1152 in Gebrauch gewesen sein soll. Wozu außer dem silbernen Stempel noch ein Interimsstempel in der Zeit von 15 Tagen? Ist der silberne Stempel aber am 12 März (St. 3618) noch nicht in Gebrauch gewesen, so ist, wie ja auch Schum annimmt, die Urkunde nachträglich, und zwar nach dem 18. März, mit dem silbernen oder zinnernen Stempel besiegelt worden.
  7. Adolf. In der Zeit zwischen Wahl und Krönung (6. Mai bis 1. Juli 1292) war noch das Grafensiegel Adolfs in ausschließlichem Gebrauch (I, Taf. 43, 1), vgl. Rossel, Die Wappen von Wiesbaden.
    Heinrich VII., 1308 Nov. 11 zum römischen König gewählt, siegelt noch am 30. November mit seinem gräflichen Siegel (IV, Taf. 74, 8. 9).
    Ludwig IV., 1314 Okt. 20 zum römischen König gewählt, siegelt noch im November mit seinem herzoglichem Siegel (I, Taf. 50, 3). Am 29. Okt. in der Siegelformel: sigillo nostro comitatus Reni et ducatus Bawarie, quia adhuc sigillum regni non habuimus (Winkelmann, Acta imperii No. 449). Am 25. Nov. gekrönt, gebraucht er von da ab das königliche Majestätssiegel.
    Karl IV. führte noch als erwählter König in der Zeit vom 19. Sept. bis 4. Okt. 1346 das mährische Sekret, das in der Siegelformel ausdrücklich als solches benannt wurde (II, Taf. 1, 2). Es dürfte deshalb auch Siegel 3 (II, Taf. 3, 4) nicht vor dem 4. Okt. fertiggestellt und an die unter früherem Datum gegebenen Urkunden erst nachträglich angehängt oder letztere rückdatiert sein. Vgl. S. 40.
    Schon Albrecht I. (Wahl 24. Juni, Krönung 24. Aug. 1298) gebrauchte zwischen Wahl und Krönung vorerst noch nur das neugestochene Königssekret (I, Taf. 45, 3). Urk. 1298 Juli 28 verspricht, als rex electus, sub secreto nostro sigillo, quo in hac nova creatione utimur, nach der Krönung eine Urkunde mit Majestätssiegel darüber auszustellen. Vgl. S. 173.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0215.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)