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wäre[1], oder wenn das Siegel Teile des Schlußprotokolls unterbricht, und dieses sich als mit dem Texte gleichzeitig gefertigt ergibt[2].

Am häufigsten sind Fälle, bei denen die Datierung dem Siegel ausweicht[3]. Da die Länge des einzutragenden Textes noch nicht feststand, so ging man am sichersten, wenn man das Siegel möglichst weit unten aufdrückte, weil die Datierung trotzdem leicht Platz fand.

Auch die Art der Besiegelung zur Zeit Friedrichs I., in der das Hängesiegel aufkommt, läßt im einzelnen Falle erkennen, ob die Urkunde auf Blankett hergestellt wurde[4].

Sprachen wir bisher von der Besiegelung vor der Datierung, so weisen einzelne Fälle darauf hin, daß zwar der Text schon eingeschrieben war, aber die Siegelung vor der Datierung erfolgte, wobei die Nachtragung bald nur diese, bald auch andere Teile des Schlußprotokolles betraf. Darauf weist die Unterbrechung der Datierungszeile hin, wo die letztere sichtlich erst nachgetragen ist. Freilich darf nicht vergessen werden, daß man hierfür eine Lücke lassen konnte. Aber auch bereits besiegelten Urkunden fehlt die Datierung allein oder gemeinsam mit anderen Teilen des Schlußprotokolles[5].

So dürfte denn nicht zu bezweifeln sein, daß der ursprüngliche regelmäßige Gang der Beurkundung der war, daß die Urkunde vom Könige vollzogen, dann rekognosziert, weiter besiegelt und endlich zum Schluß die Datierung zugefügt wurde.

Aber an diesem Gange hat man jedenfalls später nicht festgehalten. Das üblichere scheint Siegelung nach der Datierung gewesen zu sein, also nach Vollendung des gesamten schriftlichen Bestandes der Urkunde.

Auf Siegelung nach der Datierung weisen hin Urkunden, die von demselben Schreiber in einem Zuge geschrieben sind. Bei aufgedrückten Siegeln verbietet sich oft Vorausbesiegelung wegen der dadurch für den Schreiber verursachten Unbequemlichkeit. Freilich können auch Blankette verwandt sein, ohne daß sich das noch erkennen läßt, besonders bei Urkunden, mit anhängendem Siegel.

Auf Siegelung nach der Datierung läßt auch schließen, wenn das Siegel sich in den leergelassenen Raume fügt oder einen Teil der Schrift verdeckt, oder wenn die datierte Urkunde unbesiegelt geblieben ist[6].

Infolge nachträglicher Besiegelung stellen sich oft Widersprüche zwischen Siegelformel und Siegel selbst heraus, wenn es bei Anfertigung der Schrift noch ungewiß war, ob ein Wachssiegel oder eine Bulle zur Verwendung kommen sollte[7]. So auch, als man im 12. Jahrhundert anfing, die Siegel nicht mehr aufzudrücken, sondern anzuhängen. Der Schreiber hat dann wohl oft nicht gewußt, ob dem neuen Brauche entsprechend das Siegel angehängt werden sollte[8].

In einzelnen Fällen ergeben sich auch Widersprüche zwischen dem Siegel und der Datierung, d. h. der Siegelstempel kann zur Zeit des Datums nicht gebraucht worden sein. Es spricht das für nachträgliche Besiegelung durch denselben Herrscher. So bei Neuausfertigungen durch diesen oder einen von


sein. Und da bleibt nur die Erklärung, daß sie auf einem mit Stempel 2 besiegelten Blankett hergestellt wurde. Dafür spricht auch, daß der Schluß des Textes überaus gedrängt geschrieben ist, wohl um Raum für die übrigen Teile des Diploms zu gewinnen, deren Umfang man bei Herstellung des Textes nicht berechnen konnte. Dabei ist noch ein Raum für zwei Zeilen am Schlusse der Urkunde übrig geblieben. Da der Schreiber der Urkunde in der kaiserlichen Kanzlei nicht nachweisbar ist, so dürfte deren Herstellung von Empfängerhand erfolgt sein. Bei der Anwesenheit Heinrichs VI. in Worms zwischen 16.–19. Juli 1195 wurde dem Bischof von Worms das Blankett, mit Siegel Heinrich VI. 2 ausgehändigt, der den in auffällig brauner Tinte geschriebenen Text bis zu den Zeugennamen herstellen ließ. Dieser Text stützt sich bis auf einzelne kleine Unterschiede auf die Königsurkunde Heinrichs VI. über dieselbe Angelegenheit (St. 4651, 1190 April 4.). In der Hauptsache sind nur wenige Worte und Wendungen derselben geändert, namentlich alle auf das Königstum bezügliche Ausdrücke durch solche, die der kaiserlichen Würde Rechnung tragen, ersetzt. Infolge eines allzu mechanischen Abänderungsverfahrens ist man dann in der Datierung von St. 5003 zu dem Fehler gekommen, bei den Königsjahren auch schon des Kaisertums zu gedenken und zu schreiben: anno imperii 26, imperii 5. Das bis zu den Zeugennamen in Worms beschriebene Blankett blieb bis zur nächsten Anwesenheit Heinrichs VI. in Worms (Juni 1196) beim Empfänger liegen, worauf die Vollziehung durch Zufügung der Beurkundungszeugen und der Schlußteile erfolgte. Damit werden auch die zwei mit verschiedenen Tinten geschriebenen Absätze erklärlich. In die Datierung nahm man auf Grund des Konzeptes die Jahre des Königs- und Kaiserjahres, in denen Heinrich VI. das Blankett aushändigte, also das Jahr der Handlung, auf. Das Jahr des sizilischen Königstums und die Indiktion entsprechen dem Jahre der Beurkundung und Aushändigung. Eine falsche Berechnung der Königs- und Kaiserjahre dürfte ausgeschlossen sein, denn auch St. 5006, 5010, 5013 aus dem Jahre 1196 weisen die gleiche Berechnung a. reg. 26, imp. 5 auf. Eine nähere Untersuchung dieser Urkunden wird wohl ebenfalls eine Beziehung auf die Handlung erweisen.

Breßlau UL. 1, 461 Anm. 3 nimmt als wahrscheinlich an, daß für St. 1975 ein bereits besiegeltes Blankett der Partei übergeben wurde, daß aber dieses Diplom nach Ausfüllung des Blanketts noch einmal in die Kanzlei zurückgekommen sei (vielleicht behufs Vollziehung des Monogrammes), da der Ausstellungsort nachgetragen zu sein scheint.

  1. St. 613 (Or. München), St. 3244 (O. München), St. 3463 (Or. München), St. 3636 (Or. Münster), doch nicht sicher, da die Zeugen von derselben Hand später zugefügt sind.
  2. St. 3232 (Or. München), St. 3358 (Or. München).
  3. St. 574 (Or. München), St. 1671 (Or. München), St. 1793 (Or. München), St. 1800 (Or. Münster), St. 3239 (Or. Bibl. Straßburg).
  4. Vgl. S. 152.
  5. Ausführlich sind einzelne Fälle besprochen von Ficker, Beiträge 2, 194. Vgl. a. Posse a. O. 164.
  6. Einzelne Fälle erörtert Ficker a. O. 2, 197. Vgl. a. Posse a. O. 164. Foltz in N. Archiv 3, 21.
  7. 1199 Sept. 29 BF 32 (Or. Wien) Urk. Philipps, zwischen appensa und maiestatis nostra bulla ist ein leerer Raum gelassen, zweifellos weil es noch nicht gewiß war, ob mit Goldbulle gesiegelt werden sollte. Es hängt ein Wachssiegel an der Urkunde.
  8. Wir finden impressione, wo wir wenigstens nach späterem Brauche appensione erwarten sollten. Vgl. Ficker a. O. 2, 198.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0214.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)