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selbständig, aber im Namen des Königs mit besonderen Siegeln urkundeten. Karl IV. führte zwei verschiedene Siegel für Breslau (II, Taf. 2, 5–6; 4, 2–5), deren sich auch Wenzel bediente (II, Taf. 8, 4–8). Infolge Anfalls der Fürstentümer Schweidnitz-Jauer ließ er ein großes und kleines Siegel anfertigen (II, Taf. 8, 7. 8). Dieses, sowie das von Karl IV. eingeführte breslauer Fürstentumssiegel, benutzten auch Sigismund und Albrecht II. (II, Taf. 16, 5–9; 20, 4–7). Besondere Siegel für das Fürstentum Schweidnitz sind bis Karl VI. nachweisbar (III, Taf. 25, 7; 33, 1; 38, 8; 43, 4; 51, 7; 57, 6. 7; 60, 2; 65, 4; IV, Taf. 8, 7).

3. Selbstverständlich hatte Ungarn unter Sigismund eine eigene Kanzlei (II, Taf. 12, 114, 4)[1]. Die Ausfertigungen dieser Kanzlei unterscheiden sich von denen der Reichskanzlei und der österreichischen Kanzlei nicht nur durch die verschiedenen Siegel, sondern auch durch die Stellung der Unterfertigung. Während die Reichskanzlei die Urkunden mit Hängesiegel rechts auf dem Bug unterfertigt, ist es in der ungarischen Kanzlei üblich, den Fertigungsvermerk rechts über dem Texte, in der österreichischen rechts unter dem Texte zu schreiben. Die beiden letzten Formen gehen auf altes Herkommen zurück und sind seit der Mitte des 14. Jahrhunderts nachweisbar[2].

4. Friedrich III. schuf 1442 für seine deutschen Erblande eine eigene Kanzlei unter einem eigenen Kanzler und mit eigenem Unterpersonal, die fortan als die österreichische von der römischen oder Reichskanzlei völlig geschieden blieb.

Ein dem großen Königs- und Kaisersiegel nachgebildetes großes Siegel führte auch Ferdinand I. als römischer König (III, Taf. 21, 2–4) – aus der Kaiserzeit kann ich bisher ein solches nicht nachweisen – für das Herzogtum Württemberg, für Niederösterreich und Tirol. Anstatt der den Hauptschild umgebenden elf Wappenschilde (III, Taf. 21, 1) sind in drei Gruppen neben und unter dem Hauptschilde, der hier zum Unterschiede auch im Brustschilde des Adlers Österreich-Burgund statt Österreich-Kastilien zeigt, rechts den von Ungarn und Böhmen quadrierten, links den spanischen Schild. Die drei Schilde sind von Engeln gehalten. Über und neben der Krone finden wir die Buchstaben D W (III, Taf. 21, 2 = Ducatus Wirtembergensis), NO (III, Taf. 21, 3 = Niederösterreich), C T (III, Taf. 21, 4 = Comitatus Tirolis). Auch unterscheiden sich die drei Stempel dadurch, daß die untersten Schilde voneinander verschieden und quadriert sind: Württemberg-Teck, Alt- und Neuösterreich, Österreich-Tirol. Da nun auch die Empfänger der Urkunden, mit denen die betreffenden Urkunden besiegelt sind, der Deutung der Siglen entsprechen, so sind jene drei Stempel zweifellos zur Besiegelung von Urkunden österreichischer Hausländer verwendet worden.

Ein solches Siegel, wie es Ferdinand I. für Niederösterreich verwendete, ohne die Buchstaben NO, führte auch das niederösterreichische Regiment (jetzt Statthalterei für Niederösterreich) unter dessen Nachfolger Maximilian II. (III, Taf. 31, 1) mit dem österreichischen Schilde (= III, Taf. 21, 3). Während in Ferdinands I. Siegeln Engel als Schildhalter angebracht sind, werden auf dem Maximilians II. (II, Taf. 31, 1) nur der unterste Schild von Engeln, die beiden oberen, wie auch unter Rudolf II., von Greifen gehalten, unter letzterem weichen auch die Engel des dritten Schildes zwei Löwen (III, Taf. 37, 1).

Rudolfs II. Stempel, mit Namensänderung in der Umschrift, übernahmen dann Ferdinand II. (III, Taf. 49, 1) und Leopold I. (III, Taf. 60, 5). Ein Siegel Ferdinands III. ist mir nicht bekannt, doch dürfte auch dieser, weil die Vererbung auf Leopold I. nachweisbar ist, in Sachen des niederösterreichischen Regiments jenen Stempel geführt haben.

Einen diesem gleichen, aber einige Zentimeter größeren Stempel führte, wohl als mittleres Siegel, die österreichische Hofkanzlei seit ihrer Errichtung im Jahre 1620 unter Ferdinand II. (III, Taf. 49, 2). Diesen übernahmen auch die Hofkanzleien Ferdinands III. (III, Taf. 54, 6) mit Änderung des II. in III. der Umschrift und Leopold I. (III, Taf. 62, 1). In gleicher Nachbildung schaffte die österreichische Hofkanzlei Leopolds I., 1693 nachweisbar, einen neuen Stempel (III, Taf. 62, 2) an, dessen sich auch die Hofkanzlei Josefs I. (III, Taf. 70, 2) mit Namensänderung in der Umschrift bediente. Diesen Stempel ließ dann auch Karl VI., mit Veränderung einzelner Wappenschilde und der Umschrift, nachbilden (IV, Taf. 6, 1).

Neben dem mittleren und kleinen Siegel (Sekret) kam aber auch in der Hofkanzlei seit ihrer Errichtung im Jahre 1620 ein großes, dem Majestätssiegel der Reichskanzlei (III, Taf. 48, 1) nachgebildetes Siegel in Anwendung (III, Taf. 48, 2).

Dieses Siegels bediente sich auch mit Namensänderung in der Umschrift die Kanzlei Leopolds I. (III, Taf. 61, 2). Vermutlich hat den Stempel auch Ferdinand III. geführt, von dem ihn Leopold I. übernahm, und auch Josefs I. Kanzlei hat ihn wohl verwendet, doch lassen sich bisher Abdrücke nicht nachweisen.

Mit der einstimmig erfolgten Königswahl des Erzherzogs Ferdinand von Österreich am 24. Oktober 1526 waren die böhmischen Länder an das Haus der Habsburger gekommen. Der neue König ließ auf Wunsch der Stände in betreff der böhmischen Kanzlei die Erklärung abgeben, an seinem Hofe zu Prag eine eigene böhmische Kanzlei halten und durch diese alles, was die Regierung der böhmischen Länder angehe, erledigen lassen zu wollen[3].

Der Artikel über die Stellung der Kanzlei des Königreichs erhielt die Fassung: „es solle auch ein künftiger König zu Böhmen keine Majestätsbriefe und Konfirmationen in das Königreich Böhmen und die


  1. Vgl. S. 43. Sybel und Sickel, Kaiserurk. in Abb. Text S. 481.
  2. S. 188.
  3. Nach Fellner-Kretschmayr, Die Österreich. Zentralverwaltung, 1, 174f.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0186.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)