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von Heinrich II. ist eine Goldbulle erhalten (I, Taf. 11, 6. 7), für Heinrichs III. Königs- und Kaiserzeit und für Konrad II. die Goldbullierung nur bezeugt. Von Heinrich IV. sind zwei Goldbullen aus dessen Königszeit erhalten (I, Taf. 16, 5. 6; 17, 1. 2), für Heinrich V. ist die Existenz der Goldbulle nachgewiesen (S. 24). Seit Lothar III. (I, Taf. 20, 5. 6) sind von den meisten Königen und Kaisern Goldbullen vorhanden[1], für Konrad III. und Philipp nur bezeugt (S. 25, 26). Als ein „uraltes Insignie eines regierenden römischen Kaisers und Königs“ wird die Goldbulle in der Wahlkapitulation Ferdinands III. (1636) bezeichnet[2].

Hatte der König bereits einen Bullenstempel geführt, so ließ er nach der Kaiserkrönung nicht immer den Revers, stets jedoch einen neuen Avers mit veränderter Titelumschrift und auch sonstwie neu herstellen, und dieser ist gelegentlich auch zur Herstellung von Wachssiegeln verwendet worden (S. 139). Für die Urkundenkritik entsteht deshalb kein Zweifel betreffs der Benutzung der Stempel: in der Kaiserzeit ist mit keinem Königsbullenstempel gesiegelt worden.

Eigene Gruppen bilden die Siegel des Hofgerichts[3] und des Reichskammergerichts, die trotz ihrer Besonderheit in enger Verwandtschaft mit den königlichen Diplomen stehen. Von kürzeren formlosen Stücken abgesehen, wird als Aussteller der Hofrichter genannt, mit Angabe des Königs, dessen Stelle er vertritt. Eine Siegelankündigung kommt nicht vor. Das Siegel des Hofrichters oder des Hofgerichts ist rückwärts in ungefärbtem Wachs aufgedrückt. Da das Siegel ziemlich groß und von viel höherem Relief als das Sekret war, ist es meist ganz abgeblättert. Vermutlich war eine Papierdecke darüber gelegt.

Auf dem mainzer Reichstage (1235) setzte Friedrich II., da es ihm unmöglich war, die zahlreichen Streitsachen, die an sein Hofgericht gebracht wurden, persönlich zu erledigen, einen Beamten (justitiarius, hofrichter) ein, der seinem königlichen Gerichte Vorsitzen und in allen der Jurisdiktion des Kaisers nicht ausdrücklich vorbehaltenen Sachen an Stelle des letzteren und mit gleicher Autorität als dieser selbst richten solle.

Der erste Hofrichter war Albert von Roßwach. Auf dem von ihm verwendeten Siegel wird in Nachahmung des Königssiegels der Herrscher sitzend dargestellt, in der Rechten das erhobene Schwert haltend (I, Taf. 32, 5). Bis zu Karls IV. Königszeit zeigt sich das Siegelbild unverändert. Der Hofrichter hält in der Rechten das Schwert quer über den Schoß gelegt, in der Linken das Zepter (I, Taf. 42, 4; IV, Taf. 74, 7; I, Taf. 45, 4; II, Taf. 3, 4; I, Taf. 47, 6; IV, Taf. 75, 1).

In der Kaiserzeit Karls IV. nahm das Hofgerichtssiegel, wie auch unter seinem Sohne Wenzel, mit quadriertem Hintergrunde gebraucht (II, Taf. 9, 1. 2), eine ganz veränderte Gestalt an (II, Taf. 5, 1. 2), die es im allgemeinen bis zum Ende des Mittelalters beibehalten hat. Der Kaiser wird im Kniestück mit Schwert und Reichsapfel (statt des Zepters) dargestellt, das Rücksiegel gibt die Vorderseite verkleinert wieder und ist stets farblos[4], seit Wenzel aber fortan in rotem Wachs ausgeprägt. Bis dahin wurde das Siegel aufgedrückt, von da ab angehängt. Ruprecht (II, Taf. 11, 1. 2), wo die verkleinerte Rückseite etwas von der Vorderseite abweicht, Sigismund (II, Taf. 16, 3. 4) und Friedrich III. (II, Taf. 24, 3. 4) kehrten jedoch, wie in Karls IV. Königszeit, zu den Attributen Schwert und Zepter zurück. Aus der nicht viel über ein Jahr währenden Regierung Albrechts II. ist ein Hofgerichtssiegel nicht erhalten. Unter Friedrich III. wurden die Sitzungen des Hofgerichts immer seltener und hörten bereits seit 1450 gänzlich auf.

In der neuen Reichskammergerichtsordnung von 1495 wurde der kaiserliche Titel, Name und Siegel, wie früher, beibehalten, aber nicht ging in diese die Stelle des Projektes derselben von 1487 über: „Item so die Gerichtsbriefe ausgehen sollen unter Titul, Namen und Siegel der K. Majestät, so ist noth, daß darauf bei dem Gericht ein Siegel oder Secret seye, gleich dem kayserlichen Cantzley-Secret, doch mit etwas Unterschied, auf daß nichts dann Gerichts-Händel darunter mögen verfertigt werden“[5].

Wir finden unter Maximilian I. zwei Kammergerichtssiegel, für die Königszeit, einen nimbierten Adler mit der Königskrone und dem diesen aufgelegten Schild Österreich-Burgund (IV, Taf. 67, 1–3), für die Kaiserzeit den mit der Kaiserkrone bedeckten Doppeladler mit Schild Österreich-Tirol (IV, Taf. 67, 4).

So oft ein neuer Kaiser erwählt war, oder die Reichsvikare ihres Amtes walteten, wurden die neuen Reichskammergerichtssiegel zuerst an Kurmainz als Reichskanzleramt, gesandt, das diese sodann mit


  1. Weder sind mit Goldbullen versehene Urkunden vorhanden, noch ist die Bullierung von Urkunden bezeugt aus den Kanzleien Wilhelms, Alfons, Adolfs, Albrechts I., Friedrichs des Schönen und Günthers. Als Könige führten Goldbullen: Heinrich IV. (I, Taf. 16, 5. 6; 17, 1. 2), Friedrich I. (I, Taf. 21, 3. 4), Philipp (S. 26), Otto IV. (I, Taf. 25, 2. 3), Friedrich II. (I, Taf. 27, 3. 4; 28, 2–5), Heinrich (VII.) (I, Taf. 31, 6. 7), Heinrich Raspe (I, Taf. 34, 5. 6), Rudolf I. (I, Taf. 41, 6. 7), Karl IV. (II, Taf. 2, 1. 2), Sigismund (II, Taf. 16, 1. 2).
  2. Or. Hauptstaatsarchiv Dresden 13042. 1636 Dez. 23: Art. 46. Wir sollen und wollen auch in vleyßige obacht nehmen unnd nicht gestatten, daß diejenige expeditiones, so in gnaden unnd andern Sachen, insonderheit aber Diplomata über denn Fürsten, Graven, unnd HernStandt, auch Nobilitationes, Palatinaten, sambt anndern Freyheiten unnd Privilegien, welche wir alß Römischer König unnd künftiger Kayser ertheylen werdenn, bey einer annderen alß der Reichs Canzley, wie solches vonn alters löblich herkommen unnd unnser unnd deß Heil. Reichs hochheydt gemaeß ist, geschehen, auch die Güldene Bull alß ein uhraltes insignie eines regierenden Römischen Kayßers unnd Königs ahn einig ander Diplomen, alß welches bey gedachter Reychs Canzley mit unnserer verwilligung außgefertiget worden ist, gehengkt werde.
  3. Franklin, Das Reichshofgericht im Mittelalter 1, 328. – Lindner a. O. 54, 63, 64, 70.
  4. Die einzige Urkunde, die es in rotem Wachs hat, ist falsch. Lindner a. O. 206.
  5. (Harpprecht), Staatsarchiv des Kayserl. u. des H. Rom. Reichs-Cammer-Gerichts 2, 86.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 180. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0181.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)