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Herrschers verschiedene Stempel nebeneinander in Gebrauch gewesen[1].

Davon ist von vornherein die Verwendung des Metallsiegels auszunehmen, das zum Zwecke der glänzenderen Ausstattung der Urkunde auf Kosten des Empfängers an Stelle des Wachssiegels trat[2]. Auszunehmen sind auch diejenigen Siegel, die die erlangte Kaiserwürde bekunden.

Letztere gehören einer besonderen Regierungsperiode an, und es besteht daher zwischen ihnen und den Königssiegeln im Gebrauch ein Zeitunterschied, denn sämtliche deutsche Könige nahmen, sobald sie zu Kaisern gekrönt wurden, auch ein neues, die neue Würde bekundendes Siegel an, selbst wenn es, wie unter Otto II., das des verstorbenen Vaters und Vorgängers war (I, Taf. 7, 7 = Taf. 8, 5).

Bei Karl dem Großen ist jedoch, als er Kaiser wurde, eine Siegeländerung zweifelhaft, da an keinem Originaldiplom der Kaiserzeit ein von dem Königssiegel abweichendes Siegel gefunden wird, obwohl in Sammlungen und Druckwerken Nachbildungen vorhanden sind, die das zur Königszeit beliebte Bildnis mit veränderter Umschrift als Kaiser zeigen[3]. Es ist daher, mit Rücksicht auf die spärliche Überlieferung von Urkunden dieses Herrschers, die Vermutung nicht ausgeschlossen, daß zu irgend einer Zeit ein neuer, die Kaiserwürde des Ausstellers bekundender Umschriftrand hergestellt wurde. Freilich könnte diese Veränderung erst in der Zeit nach 813 Jan. 13 stattgefunden haben, da die letzte mit dem alten Siegelrand überlieferte Urkunde aus dieser Zeit stammt, und seitdem Urkunden mit Siegeln nicht überliefert sind.

Spätere Kaiser führten in der Zeit zwischen Wahl und Krönung ihre persönliche Siegel weiter[4].

Die älteren Karolinger Pippin, Karlmann und, wenn man von dem besonderen Siegel der Gerichtsurkunden und den erwähnten Abdrücken des Kaisersiegels absieht, auch Karl der Große hatten einen einzigen Stempel, dagegen sind zweifellos unter Ludwig dem Deutschen (I, Taf. 2, 7–10)[5], Karl III.


  1. St. 2321. 2338. 2440 = Stempel 4 (I, Taf. 15, 1) für Deutschland.
  2. St. 2484, 2502, dazu St. 2472 Urk. für Deutschland, wo dieses Siegel nur einmal, ausnahmsweise, in einer in in Italien ausgestellten, von einem in beiden Kanzleiabteilungen beschäftigten Beamten geschriebenen Urkunde zur Verwendung gekommen ist, während alle anderen deutschen Urkunden mit einem anderen Stempel gesiegelt sind, so sind wir berechtigt, auch für die Zeit Heinrichs III. das Vorkommen eines italienischen Kaisersiegels festzustellen. Dazu kommt (Vgl. S. 113), daß die Fälschungen St. 2392 (II, Taf. 55, 4) und 2428 (II, Taf. 41, 2) für Italien, diesem in die Ottonenzeit zurückkehrenden Typus nachgebildet sind. Wir haben deshalb Stempel 5 (I, Taf. 15, 2) als Siegel für Italien anzusprechen. Ein negatives Resultat gewinnen wir für die Regierungszeit Heinrichs V. St. 3061 und 3148 entsprechen Stempel 2 (I, Taf. 19, 2) für Deutschland.

Somit haben sich mindestens die drei ersten Salier, wenigstens zeitweise, für Italien eines eigenen von dem deutschen verschiedenen Siegelstempels bedient. Der Unterschied nach Kanzleien, der nach der Urkunde Heinrichs IV. gemacht ist, ist nun zwar nicht streng durchgeführt. Das italienische Siegel findet sich gelegentlich auch an deutschen, das deutsche auch an italienischen Urkunden. Aber daß man überhaupt einen solchen Unterschied gemacht hat, ist um so bemerkenswerter, als davon weder unter den Ottonen noch unter den Staufern, unter denen ja allerdings auch die Zweiteilung der Kanzlei wieder fortfiel, die Rede sein kann. Kam der Gebrauch eines besonderen Stempels für Deutschland und Italien vielleicht auch unter den ersten Staufern wieder in Wegfall, so hat Friedrich II. sich gegenüber Papst Honorius III. 1220 aufs neue dazu verpflichtet. Böhmer-Ficker Reg. imp. 1201. Breßlau UL. 945. Ilgen a. O. I, 4, 32.

  1. Geib, Archival. Zeitschr. NF. 2, 88. Breßlau UL. 944. Erben a. O. 1, 179. Ilgen a. O. 30.
  2. Ein singulärer Fall ist es, daß ein Diplom Friedrichs I. 1167 Aug. 6. (St. 4088), Or. Vatikan. Archiv. Abb. bei Sybel u. Sickel, Kaiserurk. u. Abb. X. 11, mit Wachssiegel und Goldbulle zugleich versehen war. Diese Art der Besiegelung wird im Text ausdrücklich angekündigt (cartam iussimus exarari et nostre maiestatis aurea bulla simul et cerea communiri precepimus). Brandi, Archiv für Urkundenforsch. 1, 361, Anm. 1.
  3. S. 6 u. 101.
  4. Vgl. II. 5. Beurkundung u. Besiegelung.
  5. Ludwig der Deutsche führte drei Stempel, den ersten (I, Taf. 2, 6) in den Jahren 831–833 als König der Bayern. Aber bereits seit 833 Okt. 19 (MR 1353), nachdem er 833 Juni 29 König in Ostfranken geworden, begegnen wir einem zweiten Stempel (I, Taf. 2, 7–9) bis 865 und dann wieder 867–875. Die Gemme hatte das gleiche Schicksal wie der Stein Ottos I., sie zersprang und wurde allmählich so schadhaft, daß man sich entschloß, einen neuen, dritten Stempel (I, Taf. 2, 10) anzuschaffen, der zuerst 866 gefunden wird, während der zweite Stempel in der Zeit von 865 Juni 19 (MR 1460) bis 867 Juni 14 (MR 1464) nicht mehr nachzuweisen ist. Von da ab erscheint das Gemmensiegel in neuer Fassung (I, Taf. 2, 9) und ist bis 875 in Gebrauch geblieben. Ursprünglich beabsichtigte man wohl, das schadhafte Gemmensiegel zu kassieren und es durch ein neues zu ersetzen, dann aber, als dieses fertiggestellt war, hat man das alte wieder gebrauchsfähig gemacht. Der dritte Stempel, in der Zeit der Reparatur der Gemme als Hilfs- oder Aushilfs-Stempel verwandt, ist aber sieben Jahre später (873–874) noch zweimal neben Stempel 2 zur Verwendung gekommen. Nach dem zahlenmäßigen Vorkommen des Gemmensiegels (56 Stück) vor und nach der Reparatur ist dieses seit 833 als das Hauptsiegel anzusehen, denn wie auch Stempel 3, wurde Stempel 1 nach 833 nur vereinzelt in den Jahren 844 (MR 1376, 1379), 857 (MR 1429), 859 (MR 1441), 860 (MR 1444) und 1861 (MR 1445), also sechsmal, neben Stempel 2 benutzt.
    1. Stempel
    I, Taf. 2, 6
    2. Stempel 3. Stempel
    I, Taf. 2, 10
    I, Taf. 2, 7 I, Taf. 2, 8 I, Taf. 2, 9
    831 18/8
    832 6/10
    833 27/5 833 19/10
    835 30/0
    837 24/2 (2mal)
    841 18/8
    844 4/4, 15/9 845 5/7 (2mal), 4/9
    849 8/3, 12/6, 14/6
    850 26/12
    851 15/11
    852 16/1
    853 18/1, 11/2, 21/7
    [163]   854 22/7
    855 20/3
    856 16/6
    857 26/8 857 21/4, 28/4, 15/5, 2/6, 18/8
    858 2/2, 12/4, 16/4, 29/4
    859 1/10 859 1/5, 22/5
    860 20/11 860 20/2
    861 1/4 861 7/10
    862 23/3
    863 16/6, 29/10
    864 20/8, 18/12
    865 19/6 866 6/8
    867 14/6, 8/7, 17/8
    868 4/2, 12/5, 25/5
    870 (20/3)
    873 1/2 873 16/6
    874 2/2 874 (MR 1502)
    875 26/2, 3/4 (3mal), 18/5, 11/8 (2mal), 3/10
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0163.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)