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Teil auf Blanketten, vom Empfänger, der noch an das Aufdrücken des Siegels gewöhnt war, hergestellt. Im Einzelfalle liegt Fälschung vor[1]. Höchstwahrscheinlich waren nicht sowohl der Brauch der päpstlichen Kanzlei und der zunehmende Umfang der Wachssiegel, als auch die häufigere Verwendung der Bulle in der Reichskanzlei für das Aufkommen des Hängesiegels von Einfluß.

Unter Heinrich VI. finden wir nur Hängesiegel[2], dagegen unter Philipp und Otto IV. vereinzelt je ein Diplom (BF 157 und 509), häufiger unter Friedrich II., und zwar namentlich an Urkunden und Briefen kleineren Formates mit „eingehängtem“ Siegel, das diese auf der Rückseite trugen, während nach vorn zu ein kleiner Pergamentstreifen aus zwei kleinen Einschnitten zu Tage tritt. Wenn hierbei die für den Pergamentstreifen bestimmten Schnitte durch das schon gefaltete Blatt gehen, der Streifen also durch mehrere Lagen zugleich durchgesteckt wurde, so bildete das rückwärts aufliegende Siegel zugleich einen festen Verschluß[3].

Behufs Befestigung der Hängesiegel und zur Verhütung des Durchreißens wurden die Urkunden am


     für Kloster Obernkirchen St. 4331: datum Erffurdie 1181, ind. 15, 2. kal. dec, a. regni 30, imp. 28.
     für Bistum Hildesheim St. 4332: Acta 1181, ind. 15, a. regni 30, imp. 28; datum in curia Erfordie celebrata kal. dec.

Der annus imp. 28 läßt auf eine spätere Beurkundung bez. Besiegelung schließen, und zwar auf das Jahr 1183, als sich der Kaiser Ende Januar wiederum in Altenburg aufhielt, wo er zwei Urkunden, für das Hospital zu Altenburg und das Kloster Altzelle (St. 4351 und 4352), ausstellte. St. 4351 weist mit: Acta sunt hec apud Altenburc auf die Handlung in Altenburg hin, und St. 4352 ist nach Angabe des Textes: contulit … claustro … in presentia maiestatis nostre in curia apud Altemburc celebrata und der Datierung: Acta sunt hec 1183, ind. 1 ebenfalls in Altenburg verhandelt worden. Nun stimmen im allgemeinen überein die Zeugen in St. 4326, 4334, 4351 und 4352. St. 4326 hat zwar als Zeugen den Bischof von Münster mehr, doch ist dieser auch in den zu Erfurt ausgestellten Urkunden (St. 4329, 4331, 4332) nachweisbar, also wohl schon in Altenburg mit dem Kaiser zusammengetroffen und mit ihm von dort nach Erfurt gezogen. Sodann hat St. 4326 unter den Zeugen Sibodo camerarius et fratres sui de Groits, während St. 4334 und 4351 nur den einen Bruder Friedrich aufführen. Sonst unterscheiden sich diese Urkunden in der Zeugenreihe nur dadurch, daß St. 4326 Sifrid und Gerhard von Altenburg, St. 4351 Heinrich, Burggrafen von Altenburg, darin haben. Diese waren wohl jedenfalls bei den in ihrem Wohnsitze gepflogenen Verhandlungen zugegen. Weiterhin hat St. 4334 den Albert von Tuiz, der auch St. 4325 als Zeuge in Altenburg nachweisbar ist. Nur Pfalzgraf Hermann von Sachsen und Albert von Grumbach in St. 4352 sind in keiner der anderen bei Gelegenheit der beiden Aufenthalte in Altenburg (1181 und 1183) und auch in den zu Erfurt 1181 verhandelten Urkunden nachzuweisen, was jedoch in Anbetracht der in geringer Zahl überlieferten Urkunden nicht auffallen kann. Nun führt aber St. 4352 unter den Zeugen den Bischof von Schwerin auf, dessen Gegenwart, wenn er auch in keiner der zu Altenburg und Erfurt ausgestellten Urkunden des Jahres 1181 angetroffen wird, doch wohl für Erfurt (St. 4333) anzunehmen ist, wo eine Urkunde für sein Bistum ausgestellt wurde. Er dürfte auch schon zu Altenburg in der Umgebung des Kaisers sich befunden haben. Auch hat St. 4352 den Abt von Pegau unter den Zeugen der Urkunde für Kloster Altzelle. Wir beziehen deshalb gerade die Anwesenheit dieses Abtes zu Altenburg auf den ersten Aufenthalt des Kaisers daselbst im Jahre 1181, bei dem St. 4326, die Urkunde für das Kloster Pegau, verhandelt wurde. Hieraus dürfte sich ergeben, daß die Zeugen von St. 4325, 4326, 4334, 4351 und 4352 (für Pforta, Pegau, Altenburg und Altzelle) sich auf die Handlung während des ersten Aufenthalts zu Altenburg 1181 beziehen, daß aber die Urkunden St. 4325 und 4326 erst während des zweiten Aufenthaltes des Kaisers in Altenburg (1183) vollzogen bez. besiegelt wurden. Das „Actum“ von St. 4351 und 4352 würde sich dann nicht auf die Handlung, sondern auf die Beurkundung beziehen. Darauf weist auch hin, daß in St. 4334 – datum Erpisfurdie 1181, ind. 15, idus decembris – zur nachträglichen Ausfüllung des Beurkundungsortes ein zu weiter Raum gelassen und später der Ort „Erpisfurdie“ schräg eingetragen wurde. Danach ist St. 4334, eine textlich wenig umfangreiche Urkunde, in Altenburg 1181 verhandelt, bald aber in Erfurt (1181) vollzogen und besiegelt worden, während die Vollziehung von St. 4325 und 4326 noch bis 1183 unterblieb. Die Urkunde für Pegau ist – Urkunden dieses Klosters aus jener Zeit sind nicht vorhanden – anscheinend nicht in der kaiserlichen Kanzlei, sondern wohl vom Empfänger geschrieben und während des zweiten Aufenthaltes des Kaisers in Altenburg 1183 zur Vollziehung und Besiegelung vorgelegt worden. Im Kloster Pegau war man anscheinend noch nicht zu dem neuen Brauche, das Siegel anzuhängen, übergegangen. Man fertigte daher den Schriftsatz der Urkunde St. 4326 für ein aufzudrückendes Siegel an, ließ jedoch hierbei so wenig Raum übrig, daß das Siegel über den rechten Rand der Urkunde hinausragt. So sind wohl auch die nur als Kopien erhaltenen Urkunden St. 4325, 4327, 4331 und 4332 vom Empfänger hergestellt und unter Hinzufügung des annus imp. 28 erst 1183 vollzogen und besiegelt worden.

  1. St. 4298 und 4299 mit aufgedrückten Siegeln sind auf Blankett hergestellt und verspätet beurkundet. St. 4298 (Or. München). Der Urkunde fehlen Monogramm und Kanzlerrekognition, für die hinreichend Raum gelassen wurde. Sie ist offenbar auf einem Blankett, das zur Zeit, als das Aufdrücken des Siegels noch Mode war, hergestellt worden, die Beurkundung oder Datierung erfolgte aber viel später. So auch St. 4299 (Or. München). Das Monogramm, obgleich im Texte angezeigt, fehlt. Die Ankündigung der Zeugen ist noch von der Hand des Textes, die Zeugenreihe selbst und das ganze Schlußprotokoll sind von anderer Hand, also später zugefügt. Die Urkunde ist danach auf einem Blankett ausgefertigt, die Beurkundung selbst, wie bei St. 4298, verspätet erfolgt. In einzelnen Fällen läßt sich das Aufdrücken des Siegels dadurch erklären, daß der Empfänger den Text der Urkunde selbst herstellte, jedoch mit dem neuen Brauche des Anhängens noch nicht bekannt, Raum für ein aufzudrückendes Siegel ließ. So St. 4288 (Or. Gotha), von der Hand des Empfängers, dem Kloster Ichtershausen, geschrieben. Vgl. Cod. dipl. Sax. reg. I. 2, 436.
    St. 4323. Die beiden Urkunden für Kloster Adelberg (Or. Stuttgart) aus der fraglichen Zeit zeigen keine Kanzleihand und sind wohl vom Empfänger hergestellt.
    St. 4470 (Or. Karlsruhe). Die Urkunde ist zweifellos nicht in der kaiserlichen Kanzlei hergestellt. Chrismon und Monogramm fehlen, und die Schrift, die der Bücherschrift ähnlich ist, ist keine kanzleimäßige. Vermutlich ist die Urkunde in Kloster Herrenalb geschrieben und zur Besiegelung an die kaiserliche Kanzlei eingereicht worden. Der Empfänger, der offenbar noch an das Aufdrücken des Siegels gewöhnt war, hatte bereits das Loch für das unten links zu befestigende Siegel (= I, Taf. 22, 1) hergerichtet.
    St. 4495 (Or. Goslar), (II, Taf. 50, 2). Wegen der Fälschung mit aufgedrücktem falschen Siegel vgl. II, 5. Beurkundung und Besiegelung.
    Noch 13 Monate vor dem Tode Friedrichs I. finden wir St. 4518 (Or. Schaffhausen) anstatt des Hängesiegels einer roh und flüchtig, nicht in der Reichskanzlei geschriebenen Urkunde von 1189 April 26 das Siegel aufgedrückt. Über die Echtheit des Diplomes schwanken die Ansichten.
  2. Betreffs des wieder im 13. Jahrhundert in Mode gekommenen Aufdrückens bei gewissen Ausfertigungen vgl. II. 4. Gebrauch mehrerer Siegelstempel.
  3. Erben a. O. S. 226.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0149.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)