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Wachs eindrückte. Alsdann erfolgte die Siegelung mit der Gemme durch Eindrücken in die Mitte des von dem Metallrande unberührten Wachses. Das lassen auch gewisse Unebenheiten, die durch zweifache Siegelung des Wachses entstanden sind, erkennen[1].

Flüchtigkeiten sind bei den Wachssiegeln der Königsurkunden anzutreffen, seltener in der Karolingerzeit und in der deutschen Reichskanzlei[2].

Bis zur Auflösung des Reiches zeigt sich, von Jahrhundert zu Jahrhundert fortschreitend, das Bestreben, für die Wachssiegel immer größere Formen zu wählen. Je größer aber das Siegel, um so schwieriger war seine Herstellung. Es entsteht damit die Frage, auf welche Weise diese erfolgte. Eduard Richter nimmt an, daß man sich zum Aufdrücken der Siegel zangenartiger Instrumente, ähnlich den Waffeleisen, bedient habe. Nach ihm wird die Platte in eine derartige Zange eingesetzt, und so die Kraft erzielt, die nötig ist, um 5 mm tiefe Gravierungen auszudrücken, wie man ja auf den alten Kaisersiegeln genau die Arme der Zange in dem Wachswulste, der das Siegel umgibt, eingedrückt sehe[3]. Danach stellt sich Richter die Prozedur in der Weise vor, daß Siegelrand und Rückseite des Siegels bereits aufgelegt waren, und die Urkunde zur Herstellung des Siegelabdruckes mit unter die Zange genommen wurde.

Nun zeigt aber nur ein Teil der Siegel jene „Zangenspur“. Stellt man positive Abdrücke von diesen im Siegelrande negativ erscheinenden Eindrücken her, so erkennt man deutlich, daß die „Zangenspur“ von der oben am Rande des Stempels angebrachten Öse oder dem Griff herrührt, der durchbohrt war. An einzelnen läßt sich noch eine Art Ring erkennen, der dazu diente, eine Kette, und ihr ähnliches Tragband durchziehen oder um den Stempel selbst zur Vermeidung von Mißbrauch anschließen zu können[4].

Dagegen weist Ilgen[5] zweifellos nach, daß die Siegel in zwei Teilen mit der Hand geformt und miteinander verbunden wurden, denn zunächst ist es auffällig, daß allen uns erhaltenen Stempeln auf dem Rücken eine bequeme Handhabe zur Ausübung eines senkrechten Druckes fehlt. Dazu sind die Ösen am Kopf, der schmale Steg und selbst der etwas erhöhtere Bügel auf dem Rücken völlig ungeeignet. Sodann fällt es auf, daß die äußeren Hüllen der Siegel keine Wirkungen des von vorn gerichteten senkrechten Stempeldruckes und der von rückwärts einsetzenden Widerstandsfläche mehr erkennen lassen: die Rücken der Siegel sind gewölbt, ihre Dicke ist in der Mitte vielfach am stärksten, nach den Rändern zu tritt eine mäßige Abflachung ein. Dazu kommt, daß wir schon im 11. Jahrhundert Siegel nachweisen können, die aus zwei Teilen geformt sind, für das Siegelbild mit Umschrift vermögen wir eine feinere Wachsschicht zu unterscheiden, die sich von dem gröberen Wachs des äußeren Siegelkörpers mehr oder weniger deutlich abhebt. Diese Siegel sind lediglich das Produkt der veränderten Herstellungsweise der Siegel, die mit dem Aufkommen der größeren Stempel beginnend, im 12. Jahrhundert an Ausbreitung gewonnen hat und für die angehängten Siegel die Regel geworden ist. Konrad v. Mure kennt nur dieses Verfahren[6]. Siegel des 12. Jahrhunderts, bei denen sich die Oberplatte abgehoben hat, zeigen auf der Rückseite Furchen menschlicher Haut und Eindrücke von gewebtem Stoff, wohl Leinwand. Demnach wurde das Wachs mit der Hand oder mit Zeugstücken, um das Ankleben an der Hand zu verhindern, in den Stempel eingedrückt. Dieser lag mit der Rückseite auf einem Tisch oder Block. War das Wachs in die Matrize derart eingepreßt oder in späterer Zeit eingegossen, daß man überzeugt sein konnte, daß alle Vertiefungen derselben gehörig ausgefüllt, so wurde in den Jahrhunderten, in denen man die Siegel dem Pergament noch unmittelbar anfügte, zunächst über die Rückseite der noch auf dem Stempel ruhenden Platte die äußere Schutzschicht des Siegels geformt, die man auch jetzt noch über den Rand des Stempels übergreifen ließ. Darauf drückte man das Pergament mit der Schriftseite an der Stelle, an der der Kreuzschnitt[7] angebracht war, in die Rückseite des Siegelkörpers, wohl so, daß das Wachs durch das Loch des Schnittes auf der anderen Seite etwas hervortrat, wo es nun durch einen neuangesetzten Wachsklumpen verstärkt wurde, den der Siegler mit der Hand oder einem harten Gegenstand


  1. Im Siegelringe Karls des Großen (I, Taf. 1, 4) liegt die Gemme tiefer als ihre Fassung.
  2. St. 247 und 3031 steht das Siegelbild auf dem Kopfe. – St. 3173 ist der Stempel gar auf der Rückseite des durchgedrückten Wachses aufgeprägt. Erben a. O. 1, 173.
  3. Mitteilungen der K. K. Centralkommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale. NF 89.
  4. Vgl. S. 140.
  5. Ilgen a. O. I. 4, 21.
  6. Konrad v. Mure, Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte 2, 476: sigillum quandoque dicitur typarium, cui cera imprimitur sigillaris.
  7. Statt des Kreuzschnittes (+ oder ✕), der unter den Karolingern und in der ersten Zeit der sächsischen Könige die Regel ist, kommt in der Zeit von 972 an in der ottonischen Kanzlei auch ein Sternschnitt (3, 4, 6 Einschnitte) vor, durch welche 6, 8 oder 12 Pergamentzipfel entstehen. Doch ist der Sternschnitt nicht außer Übung gekommen. Die Spitzen sind fast immer dicht auf der Rückseite des Pergaments zurückgelegt, so daß sie keineswegs zum Festhalten des Wachses dienen, sie konnten ohne Nachteil auch weggeschnitten sein. N. Archiv 3, 16. – Der zuerst 972, bei der Rückkehr der beiden Ottonen aus Italien vorkommende Sternschnitt weist acht Lappen auf und hält sich bis etwa 997. Sechs Lappen finden wir bei St. 611, 669, 947, 972, 975, 997, 1004; sieben bei St. 358, 999; zwölf bei St. 792. Was an Diplomen vor 972 Sternschnitt hat, ist Nachzeichnung. St. 378 (Mon. Germ. S. 414 No. 298) weist den erst 967 häufiger werdenden Sternschnitt auf, und möglicher Weise ist auch das noch gut erhaltene Siegel von St. 373 (ib. S. 410 No. 293) in gleicher Weise befestigt worden. Beide Urkunden sind vermutlich erst einige Zeit später ausgefertigt oder wenigstens nachträglich besiegelt worden. – St. 844 (S. 107). Fälschung mit Kreuzschnitt, während damals vorwiegend Sternschnitt verwendet wurde – St. 1097 S. 108. Bei gewaltsamer Entfernung des ursprünglichen und Anbringen eines neuen Siegels wurden die Lappen weggeschnitten. – St. 2775 (S. 115). Fälschung. Loch statt des Kreuzschnittes. – St. 3799. Fälschung. Viereckiges Loch an Stelle des Kreuzschnittes. V (Tafel) sind die verschiedenen Arten des Kreuz- und Sternschnittes dargestellt.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0145.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)