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für den Hammerschlag berechneten Aufsatz. Auseinandergenommen zeigt das untere Stück auf seiner oberen Fläche den vertieften Stempel für die Kehrseite. Das obere Stück ist unten hohl, so daß es eine quadratische Röhre bildet, in die das untere Stück genau hineinpaßt. Der Boden dieser Röhre des oberen Stückes enthält den vertieften Stempel der Vorderseite. Der Schrötling wurde auf das untere Stück gelegt, dann das obere Stück aufgestülpt, und nun schlug der Malleator auf die obere Fläche.

Wie dieser Münzstempel werden auch die Stempel zum Siegeln eingerichtet gewesen sein. Bei Herstellung von Bleibullen legte man den Bleischrötling, der, wie noch heute von der päpstlichen Kanzlei verwendete, einen Kanal zum Durchziehen der Fäden oder Schnüre hatte, auf, durch den Hammerschlag wurde aber nicht nur das Siegelbild hergestellt, sondern die vorher durch die Löcher der Urkunde gezogenen Fäden bekamen auch einen festen Halt[1].

Derartig eingerichtete Instrumente wurden auch zur Herstellung der Goldbullen verwendet. In der Regel aber sind die Goldbullen nicht massiv, sondern sie bestehen aus einer dünnen Schale von Goldblech, die mit einer Füllung aus Blei, Wachs, Harz oder Gips versehen ist.

Je nachdem diese nicht massiven Goldbullen einen bleiernen Kern hatten oder nicht, wurden sie auf verschiedene Weise gefertigt. Die erste Art, die mit Blei gefüllte Goldbulle, sind in der Tat Bleibullen, die mit einer dünnen Goldschicht bekleidet wurden.

Für die Kanzleien, die bereits die Bullierung mit Blei kannten und übten, war daher die Verwendung der mit Blei gefüllten Goldbulle das gegebene. Ihre Herstellung bot keine besonderen Schwierigkeiten, man hatte lediglich den Bleischrötling mit Gold zu bekleiden[2], ehe man ihn zwischen die Stempel bez. Bullierungsmaschine brachte. Ein Apparat reichte, wie Eitel hervorhebt, aus, um die Bleibulle und Goldbulle herzustellen. Und daß beide vielfach in Form und Größe, Schrift und Bild übereinstimmen, ist also keine auffallende Erscheinung.

Die zweite Art der nicht massiven Goldbullen, d. h. die Goldbullen, die statt des Bleies mit Wachs, Harz oder Gips ausgefüllt waren bez. lediglich aus einer leeren goldenen Kapsel bestanden, war im späteren Mittelalter die fast allein gebräuchliche, sie mußte naturgemäß auf andere Weise hergestellt werden.

Die ziemlich dünnen Goldplatten trieb man in Metallmatrizen ein, dann wurden die beiden Platten (Vorder- und Rückseite) mit ihren nach innen umgelegten Rändern ineinander geschoben, oder auf den Rand aufgelötet, nachdem man die mit dem Pergamente verknüpften Fäden durchgezogen hatte. Vielfach ist die etwas größere Platte über die kleinere oder ihren Rand herübergezogen und dann geglättet worden[3].

Seit dem Verschwinden der Gemmen- und Steinsiegel werden die Stempel aus Metall angefertigt. Ihre Herstellung erfolgte gewöhnlich durch Guß über einer angefertigten Patrize. Die so gewonnene Matrize wurde darauf mit der Feile oder dem Stichel bearbeitet. Fehler, die sich namentlich häufig in den Umschriften der Siegel finden, sprechen dafür, daß Stempel ganz oder zum Teil (Inschrift) auch durch direktes Eingravieren in die Platte gegraben wurden,


  1. A. Eitel a. O., S. 2, 14, 18. Eine Abbildung des stählernen Goldbullenstempels, Ferdinands III. (III, Taf. 55, 1. 2) auf V, Taf. No. 3.
  2. Eitel a. O. 14 macht auf eine Stelle des Chronicon Farfense di Gregorio di Catino ed. Ugo Balzani 1, 45, Rom 1903 aufmerksam: – furabantur denique quecumque diripere poterant de monasterio; sigilla aurea de preceptis tollebant et ponebant plumbea que modo apparent. Abt Hugo von Farfa († 1039) erzählt hier, wie in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts, während der Abtsstuhl erledigt war, die zügellosen Mönche die Reichtümer des Klosters vergeudeten und sich auch an den Urkunden vergriffen. Mit Recht stellt Eitel die Frage, ob man denn in der Tat zu der Annahme gezwungen sei, daß die Mönche die goldenen Siegel abgerissen und statt dessen bleierne angehängt haben. Wie sollten sie die nötigen Bleibullen beschaffen? Von anderen Urkunden, vorausgesetzt, daß solche vorhanden waren, hätte man sie nur abschneiden können, indem man diese Urkunden selbst entwertete. Wie mühselig wäre es gewesen, die neuen Siegel an den alten Urkunden zu befestigen! Eine so fürsorgliche Handlungsweise würde sehr wenig zu dem damaligen Treiben der Mönche passen. Die richtige Deutung dieser Stelle ist nur möglich, wenn man für die in Frage kommenden Goldbullen eine Bullierungstechnik in dem oben geschilderten Sinne annimmt. Bei vielen dieser alten mit bleiernem Kern versehenen Goldbullen ist die goldene Hülle abhanden gekommen und nur die Bleifüllung zurückgeblieben. So waren auch die sigilla aurea von Farfa Goldbullen dieser Art. Die Mönche stahlen die goldene Schale und ließen den für sie wertlosen Kern zurück. Abt Hugo mochte in der Tat glauben, daß man den ursprünglich mit Gold besiegelten Urkunden „Bleibullen“ angehängt habe. Die Sucht nach Gold erklärt, wie im Falle Farfa, daß so wenig Goldbullen der Kaiser erhalten sind: der glatte Schnitt durch die Siegelfäden erhaltener Urkunden weist auf Diebstahl hin.
  3. So bei den Bullen Heinrichs IV., Friedrichs I., den Königsgoldbullen Friedrichs II., den früheren Bullen Karls IV., deren innerer Raum mit weißem Wachs gefüllt ist, in den die Schnur eingeschlossen und festgehalten ist und hängt nur zu einer Öffnung heraus. Später (schon 1357 Aug. 17 Or. Kloster Marienthal) versah man beide Platten mit Rändern, so daß der Rand der oberen den unteren umfaßte. Im Inneren brachte man goldene Ösen an, zwei auf der Rückseite an den Öffnungen und eine in der Mitte der Vorderseite, manchmal auch umgekehrt, so daß die Schnur durch den so gebildeten Kanal hindurchgehend, die Halbteile zusammenhielt. Die Schnur wurde dann unter der Bulle zusammengeknotet. Bei den kaiserlichen Goldbullen Sigismunds tritt jedoch die Schnur, wie bei den Wachssiegeln, zu zwei Öffnungen rechts und links heraus. – Einzelne Goldbullen Ludwigs des Bayern haben außer der Ober- und Unterplatte noch einen ziemlich breiten Außenrand, mit einköptigen Adlern besetzt, über den die Ränder der Ober- und Unterplatte herübergezogen sind. – Die Angaben über Gewicht und Goldgehalt der Bullen schwanken. Nach Prüfung Breßlaus waren zwei Bullen Heinrichs IV. 20 g schwer; dasselbe Gewicht hatte eine Goldbulle Karls IV. (nach Lindner) im Werte von ungefähr 60 Mark. Eine andere Bulle dieses Kaisers wiegt, nach Schlosser 41,5 gr., also doppelt soviel als das von Lindner untersuchte Stück. Eine Kaisergoldbulle Friedrichs II. hat nach Philippi, S. 57, einen Goldwert von 10 Mark. Breßlau hält diesen Anschlag für zu niedrig, da es nur auf ein Gewicht von noch nicht 4 gr. feinen oder vielleicht 5 gr. rauhen Goldes führen würde. Foltz im N. Archiv 3, 26. Breslau, UL. 1, 932. Lindner a. O. 40. Eitel a. O. 25.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0142.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)