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1. Siegelstoff und Siegelstempel

Zum Siegeln wurde das bereits dem Altertume bekannte Wachs, nebenher auch Metall verwendet. Seit dem 16. Jahrhundert treten dazu Siegellack, auch spanischer Lack genannt, und Oblaten.

Auf Grund mittelalterlicher Wachsrezepte stellt Hermann Grotefend fest, daß im großen und ganzen außer Wachs, das natürlicherweise stets den Hauptbestandteil bildet, Weißpech (lauter Pech, weiß Harz, pix, resina genannt, also unzweifelhaft das heutzutage sogenannte burgundische Pech) und Fett (sagimen, arvina, butirum, adeps porci, Butterschmalz), wofür auch Leinöl oder Terpentin genommen wird, die Bestandteile einer zum Siegeln tauglichen Mischung gewesen sind[1].

Der Pechzusatz macht das Wachs schiefrig, spröde und blätterig, der Zusatz von Fett oder Leinöl, besonders aber von Terpentin bindet wieder, was das zu rasch und schichtenweise erkaltende Pech getrennt hat. Chemische Versuche bestätigen denn auch, daß früheren Annahmen entgegen[2] ein Zusatz wie Gips, Kalk, Kreide, Ton oder Mehl in den Siegeln des Mittelalters nicht zu suchen ist.

Es ergibt sich aber gleichfalls daraus, daß man die Namen weißes, braunes, gelbes, graues Wachs mit Unrecht als verschiedene Wachssorten bezeichnend ansieht. Wir stehen vielmehr, wie hier im wesentlichen bloß verschiedene Mischungen von Wachs und Pech, das sicherlich nicht in vollster Reinheit zur Verwendung kam, unter Zusatz schmeidigender Substanzen gegenüber, die uns vom reinen honiggelben Wachs durch die verschiedenartigsten Stufen des Aussehens und des Härtegrades allmählich hinüberleiten zu dem grauesten, schiefrigsten, pulververmischtem Wachse[3].

Die Farbe des Wachses ist in älterer Zeit anscheinend ohne größere Bedeutung. Bereits im 12. Jahrhundert fing man an, das Wachs zu färben und zwar anfangs rot. Friedrich I. war der erste, der rotes Wachs gebrauchte, nach ihm Philipp, Friedrich II. in der sizilianischen Periode ausschließlich und fast ausschließlich König Richard. Doch sind diese Fälle vereinzelt, bei den Thronsiegeln der deutschen Kaiser blieb das ungefärbte Wachs vorherrschend[4], und das Ringsiegel Friedrichs III. auf seinen Majestätssiegeln ist bald mit rotem, bald mit weißem Wachs eingedrückt, ebenso wechselt das Rücksiegel die Farben. Doch kam rotes Wachs in Anwendung bei den Rücksiegeln und dem Sekretsiegel bereits in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts.

Das Siegel wird in der Weise hergestellt, daß man in die Siegelmatrize, ein tiefgraviertes Instrument (Stempel, Typar), eine weichere, mit dem Stoff, auf dem die Urkunde geschrieben ist, dauernd verbundene Masse (Wachs oder Metall) drückt, so daß letztere das Bild oder die Inschrift der Matrize als Patrize zeigt.

Die älteste Form dieser Instrumente sind Ringe, Siegelringe, entweder ganz aus Metall bestehend, und Siegel und Umschrift führend, wie der Siegelring des Königs Childerich († c. 481), den man in des letzteren Grabe fand[5], oder Gemmen, die in Metall gefaßt sind, entweder selbst oder auf der Fassung die Umschrift tragen.

Aus welchem Material in der ältesten Zeit die Matrizen für das Siegel angefertigt waren, läßt sich nicht sagen, weil wir keinen Stempel eines Königssiegels besitzen. Die Siegelplatte Lothars II. (I, Taf. 2, 5) ist ein Bergkristall, aus einem leicht zerbrechlichen Stoffe scheinen auch diejenigen Siegel aus der Zeit Ludwigs des Deutschen (I, Taf. 2, 8), sowie Heinrichs I. (I, Taf. 6, 6), Ottos I. (I, Taf. 7, 1; IV, Taf. 73, 3) und Ottos II. (I, Taf. 8, 2) hergestellt zu sein.

Auf dem Siegelfelde zeigen sich nämlich vertiefte Zacken, sie können also nicht in die Platte eingegraben


  1. Grotefend, Über Sphragistik 23. Ilgen a. O. I. 4, 11.
  2. Sickel, Acta 1, 345. Archival. Zeitschr. N. F. 2, 112.
  3. Mit Recht hat Grotefend auch die sogenannten Malthasiegel aus der Welt geschafft. Die alten Römer verstanden unter Maltha eine Art Kitt (eine Mischung von gelöschtem frischen Kalk mit Wein, die mit Schweinefett und Feigen gestampft wird). Das ganze Mittelalter schweigt über diesen Stoff. Erst Gatterer, Abriß der Diplomatik, II. Abschn., 6. Hauptst., bringt die Maltha mit dem Mittelalter in Verbindung. Er scheint eine Mischung mit vorwiegendem Harz als Maltha zu bezeichnen. v. Weech hat durch chemische Untersuchung der Siegel des Klosters Salem feststellen lassen, daß die rotbraune Farbe der sogenannten Malthasiegel von dem in der beigemischten Tonerde enthaltenen Eisenoxyd herrühre, der Name Maltha von der Bezeichnung der Boluserde (terra sigillata) als Malthesererde genommen sei. Man benutzte eben zur Färbung des Wachses solche Erde. Vgl. a. Seyler, Gesch. der Siegel 163.
  4. Um so auffallender ist es, daß von fünf Diplomen, die Karl IV. am 8. Februar 1349 (Or. Stadtarchiv Köln) für die Stadt Köln gab, zwei und ebenso drei für denselben Empfänger vom 11. August 1349 (Or. ebendas.) Siegel von durch und durch rotem Wachse haben. Wahrscheinlich hat die städtische Kanzlei das Wachs geliefert, von dem der königliche Beamte vielleicht nicht genügenden Vorrat hatte. Lindner a. O. 39. Vgl. II. 4. Gebrauch mehrerer Siegelstempel.
  5. Cochet, le tombeau de Childéric I. Paris 1859.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0140.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)