Seite:Posse Band 5 0126.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

vier Finger rechts von der Kugel sichtbar. Auf den Originalsiegeln treten Stirn, Nase, Mund und Kinn kräftiger hervor. Mit No. 1, nur um 10 mm kleiner, ist identisch No. 2 (I, Taf. 46, 5). Die Farbe des Gipses, sowie die ganze Ausstattung beider ist die gleiche. Auf der Rückseite von Nr. 1 finden wir dieselbe Gipsschrift, wie auch bei dem vom gewöhnlichen abweichenden Siegelabdruck Karls IV. No. 2, des Inhalts: Henri VII. emp. (au Lateran) Concède le droit de patronnage de l’église St. Michel à Luxembrg aux Benedictines de Marienthal le 12 jour des Calendes de Juin 1312. Arch: du Gouvt au ..... (Luxemburg). Man müßte also annehmen, daß an demselben Tage 21. Mai, und zwar an diesem allein, zwei Stempel, die, völlig identisch, nur um 10 mm differierend, gebraucht werden, sonst aber immer das gewöhnliche Siegel in Anwendung kommt, noch dazu in einem Zeitpunkt, da Heinrich VII. bereits in Rom wenige Tage vor der Kaiserkrönung stand. No. 2 ist vielmehr ein auf mechanischem Wege verkleinerter Abdruck des gefälschten Gipsabdruckes No. 1 und, wie auch der Gipsabdruck Karls IV. in Luxemburg 1849 hergestellt (II, Taf. 51, 2).


2. Gipsabdruck Siegelsammlung Geh. Staatsarchiv Berlin.     1312 Mai 21.

Verkleinerter Gipsabdruck der Fälschung Nr. 1 (I, Taf. 46, 5).


Ludwig IV.


Or. Stadtarchiv Frankfurt a. M.     1314 Dez. 24.

An echter Urkunde Ludwigs hängt ein echtes Siegel Rudolfs I. (= I, Taf. 40, 5), aus dem die Siegelfäden durch Aufschneiden der Rückseite herausgegezogen und durch Zusammenkneten mit den Fingern wieder festgemacht wurden. (II, Taf. 57, 4. 6).


Friedrich der Schöne.


Gipsabdruck v. Savasche Siegelsammlung Wien.     Abb. v. Sava a. O. S. 107, Fig. 14.

Verfälschung des Rücksiegels von Ludwig IV. (I, Taf. 51, 2). Es wurde von Römer-Büchner an Sava ohne nähere Daten mitgeteilt. Haberditzl a. O. 659. (I, Taf. 53, 6).


Karl IV.


1. Or. Staatsarchiv Coblenz.     1346 Aug. 4.

Fälschung des 17. Jahrhunderts. An der Urkunde hängt das Siegel des Königs Adolf = I, Taf. 43, 2. (II, Taf. 57, 6).


2. Gipsabguß in der Siegelsammlung Geh. Staatsarchiv Berlin No. 2844 und Mellysche Siegelsammlung Wien.     Abb. Heffner XI. 82.

Auf der Rückseite findet sich, wie bei Heinrich VII. No. 2, (I, Taf. 46, 5) in derselben Gipsschrift, die Provenienzangabe: Bibl. de l’Athenée Confirmation des privileges de l’ab : de Münster (Benediktinerkloster in Luxemburg) par Charles IV. 1346 (II, Taf, 51, 3).

Neben dem echten Königssiegel Karls IV. (II, Taf. 1, 5) finden wir noch zwei andere in Gipsabdrücken (No. 2 II, Taf. 51, 3 und No. 3 II, Taf. 51, 4) und ein drittes als Stempel (No. 4 II, Taf. 51, 5), von denen Heffner No. 2 fälschlich für identisch mit dem echten Königssiegel hielt. Die Größe stimmt zwar, doch weicht der Abdruck No. 2 erheblich ab, wie es Haberditzl a. O. 652 ausführlich darlegt. Das Umschriftkreuz steht nicht vertikal über der Mittelzacke der Krone, wie auf den echten Siegeln, sondern ist nach links gerückt, das A in Karolus ist in die Breite gezogen, zwischen Karolus und dei ein Abstand von 1 mm, auf dem Siegel schließen sich die beiden Wörter ohne Zwischenraum aneinander. Auf No. 2 ist der Kopf des Königs um 2 mm zu groß. Der Hauptunterschied ist aber der, daß der Ornamentenkreis auf den Originalsiegeln innerhalb des inneren Umschriftkreises links und rechts von der Krone symmetrisch abschließt, während bei No. 2 das Ornament zwischen der Krone durchgeht und die Rosetten in einer vom Siegel völlig abweichenden Stellung erscheinen, was sich auf dem ganzen Ornamentenkreis oberhalb der beiden Wappen zurückverfolgen läßt.

Diese Unterschiede sind so bedeutend, daß man eigentlich zwei verschiedene Stempel annehmen müßte, aber auch ich habe Vorjahren, wie Haberditzl, festgestellt, daß Heffners Angabe, das Siegel befinde sich an der Urkunde 1354 Sept. 21 im Stadtarchiv zu Ulm irrig ist, denn an dieser hängt das echte Siegel (II, Taf. 1, 5). Offenbar lag Heffner ein Abdruck = No. 2 vor und der Irrtum entstand, weil er diesen für identisch mit dem echten Siegel hielt.

Dazu kommt, daß sich in der Savaschen Sammlung No. 3, ein um 10 mm kleinerer, mit No. 2 identischer Abdruck befindet, der im Katalog die Provenienzangabe hat: Archiv Münster 1346. Er bietet also die gleichen Zeit- und Ortsangaben wie No. 2 und erinnert an das ähnliche Vorkommnis unter Heinrich VII. (S. 122).

Die Stempel zu No. 2 und 3 sind nicht nachweisbar, hingegen der von No. 4. Als Vorlage diente anscheinend dieselbe, wie zu No. 2, worauf allein schon das breitgezogene A in Karolus hinweist. Die Ziselierung des Stückes ist weniger sorgfältig wie bei diesem, was auch die unbeholfenen Buchstaben und den Fehler MEX statt REX erklärlich macht.


3. Gipsabdruck in der Savaschen Siegelsammlung 2433 Wien.     Erw. Heffner, No. 104.

Identisch mit No. 2, nur 10 mm kleiner (II, Taf. 51, 4).


4. Bronzestempel im Besitze des Herrn Hofrats Prof. Dr. Luschin von Ebengreuth in Graz, von einem Antiquitätenhändler in Gent erworben.

Vgl. No. 2 (II, Taf. 51, 5).


5. Abdruck Siegelsammlung Hauplstaatsarchiv Dresden nach einem gefälschten Bronzestempel, der in den Handel kam, aber inzwischen wohl in der Sammlung eines Liebhabers verschwunden ist.

Revers der Kaisergoldbulle = II, Taf. 3, 7. Moderne Fälschung nach einem Siegelabdruck (IV, Taf. 83, 4).


Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0126.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)