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Karl der Große


Außer den beiden Siegeln Karls des Großen (I. Taf. 1, 4. 5) und der nicht erhaltenen Goldbulle, (S. 5) findet sich eine Reihe von anderen Siegeln Karls, teils durch Fälschungen, teils durch Verwechselungen mit späteren Kaisern gleichen Namens, besonders aber durch ungenaue Abbildungen hervorgerufen. Heumann, Comment. de re dipl. imp. ac reg. Germ. 1, Taf. IV, Nouv. Traité de dipl. 4, 110. Auch Waily 1, 271 zählt noch elf verschiedene Siegel (in Wachs und Metall) ohne Beschreibung.


1. Or. Nationalarchiv Paris.     772 Okt. 20.     MR 150 (147).     Mon. Germ. DD S. 102, No. 71.

Nachzeichnung aus dem Beginne des 9. Jahrhunderts, mit dem Siegel Ludwigs des Frommen (I, Taf. 1, 6) das auf der Rückseite mit einem Klumpen anderen Wachses befestigt ist.


2. Or. Staatsarchiv Turin.     774 Juni.     MR 166 (162).     Mon. Germ. DD S. 301, No. 225.

Von derselben Hand geschrieben, die noch zwei andere mit dieser in naher Beziehung stehende Fälschungen anfertigte, jene auf den Namen Ludwigs d. Fr., MR 532 (513) und die angebliche Urkunde der Gräfin Adelheid von 1039 (Cipolla, Mon. Noval. 175, No. 70). Sie versucht, die diplomatische Schrift etwa aus der Mitte des 11. Jahrhunderts nachzuahmen, ohne ihren Charakter festhalten zu können. Gewisse graphische Eigentümlichkeiten verweisen die Schrift in das 12. Jahrhundert, und zwar in dessen spätere Zeit, vielleicht noch über dessen Wende hinaus. Von dem mitten in die Zeugenreihe gestellten Siegel ist nur ein größeres Bruchstück erhalten, die Umschrift ist vollständig verwischt. Nach den Resten des Siegelbildes ist es dem Anscheine nach ein echtes Siegel Heinrichs III. (I, Taf. 15, 2), vielleicht von der jetzt siegellosen Urkunde von 1048 April 19 (St. 2348), die auch als teilweise Vorlage diente (II, Taf. 29, 4).


3. Faksimile des jetzt im Staatsarchiv Marburg verlorenen angeblichen Or.     777 Okt. 21.     Kopp, Schrifttafeln 19.     MR 212 (207) Mon. Germ. DD S. 312, No. 229.

Fälschung aus den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts auf Grundlage der Urkunde Karls des Großen 780 März 8 (MR 227 (220), Mon. Germ. DD, S. 179, No. 129), die der Fälscher nicht nur für den Text, mehrfach mit Umstellung von Satzteilen, als Vorlage benutzte, sondern auch, allerdings mit großem Ungeschick, nachzuzeichnen versuchte. Das Siegel ist echt (= I, Taf. 1, 4) (I, Taf. 52, 3).


4. Generallandesarchiv Karlsruhe A 22.     780 Nov. 27.     MR 231. Mon. Germ. DD S. 317 No. 232.     Erw. MR 1748 (1701).

Angebliches Or. aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Fälschung von der Hand des reichenauer Kustos Odalrich (vgl. MR 230), reskribiert auf einer radierten Urkunde Karls III., von deren ursprünglichem Schriftbestand nur die durch Interpolation in den Zahlen des Inkarnationsjahres und der Indiktion, sowie eines fingierten Ausstellungsortes verunechtete Datierungszahl belassen wurde, versehen mit einer echten, aber nicht mehr in der ursprünglichen Form befestigten Bulle Karls III. = I, Taf. 4, 2. 3 (II, Taf. 52, 4. 5).


5. Or. Staatsarchiv Modena.     781 Juni 8.     MR 240 (231).     Mon. Germ. DD S. 323, No. 235.

Ziemlich gelungene Nachzeichnung einer von Gilbert geschriebenen Urkunde aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts. Das Siegel (= I, Taf. 1, 4) ist echt, aber seine Befestigung keine ursprüngliche, es bildet auf der Rückseite einen ca. 1 cm hohen Wachsknollen, der gerade nur durch die Lappen des Kreuzschnittes reicht.


6. Faksimile des jetzt im Staatsarchiv Marburg verlorenen angeblichen Or.     786 Aug. 31.     Kopp a. O. 15.     MR 275 (266). Mon. Germ. DD S. 338, No. 241.

Gefälscht auf Grundlage der Urkunde Karls des Großen: 786 Aug. 31 (MR 274 (265). Mon. Germ. DD. S. 207 No. 153), deren Nachzeichnung auch als Schreibvorlage diente, = Urkunde 782 Aug. 31 (MR 258 (249). Mon. Germ. DD. S. 328 No. 237), um die Mitte des 11. Jahrhunderts in dem Zehntenstreite mit Mainz. Vgl. Mitteil. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. 20, 377. Das Siegel, in der undeutlichen Abbildung auch ohne Umschrift, war unecht (II, Taf. 29, 5).


7. Or. Reichsarchiv München.     789 März.     MR 299 (290). Mon. Germ. DD S. 348, No. 247.

Von einem Schreiber der Kanzlei Ottos II. (WC), in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts geschrieben, der auch die Fälschungen auf den Namen Ludwigs des Frommen und Arnulfs (MR 778 (753), 1942 (1891)) anfertigte und mehrere echte Urkunden Ottos II. für Passau schrieb. Vgl. Mitteil. d. Inst. f. österr. Geschichtsf. 3, 186, 209; 1, 241. Kaiserurk. in Abb. Text 199.

Das ziemlich scharf ausgeprägte Siegel, mit der Umschrift KAROLVS IMP AVG, ist nach einem Siegel Karls III. (I, Taf. 3, 5) gefälscht und weist trotz der Ähnlichkeit der Gesichtszüge Abweichungen in der Darstellung und in der Kürzung des letzten Wortes der Umschrift auf (II, Taf, 29, 6).


8. Or. Staatsarchiv Düsseldorf.     802 April 26.     MR 387 (380). Mon. Germ. DD S. 388, No. 266.

Von demselben Fälscher Anfang des 11. Jahrhunderts geschrieben, der auch die angeblichen Originale der werdener Urkunde Arnulfs MR 1801 (1753), Heinrichs I., Ottos II. und III. (Mon. Germ. DD. 1, 61 No. 26. 2, 103; Heinrichs I. 103, 88; 414, 17 St. 30, 633, 887) anfertigte. Ein großes, rundes, plumpes Siegel, einem Kaisersiegel Ottos I. oder II. nachgebildet, mit Brustbild en face, mit dreifach gestielter Krone, in der Rechten das Zepter. Vgl. Bendel, Die älteren Urkunden der deutschen Herrscher für die ehemal. Benediktiner-Abtei Werden 6, 91 und Wibel im Archiv f. Urkundenforsch. 3, 94. 96. 109 (II, Taf. 29, 7).


9. Or. Staatsarchiv Marburg.     802 Sept. 15.     MR 390 (383). Mon. Germ. DD S. 266, No. 198.

Echte Urkunde mit unechtem Siegel. Der undeutliche Kopf erinnert an das Siegel Ludwigs des

Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0104.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)