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Trifft solche Auffassung zu, und man kann die Vorkommnisse in verschiedenen Gebieten so auslegen, dann bleibt – bei Annahme der marinen Natur der Gigantostraken – ihre zusammenhanglose vertikale Verbreitung im Silur ebenso schwer zu erklären, wie die ebenfalls zusammenhanglose weite horizontale Verbreitung z. B. von Eurypterus, Eusarcus, Dolichopterus, Hughmilleria oder gar von Pterygotus.

Wenn die Gigantostraken um ihrer verschiedenartigen morphologischen Ausbildung willen auch als biologisch recht verschieden bewertet werden müssen, so werden sie doch im großen und ganzen als verhältnismäßig schwerfälliges vagiles Benthos gelebt haben. Clarke und Ruedemann nannten die Gruppe als Ganzes „mudgrubber“. Die mit Stacheln besetzten Fußpaare 2–4 bez. 5 der meisten Formen deuten auf Kriechen, Scharren und Festhalten am Boden. Pterygotus gilt meist als Schwimmer. Ob aber die Konstruktion der „Ruderfüße“ so war, daß sie ein geschicktes Schwimmen gewährleistete, ein erfolgreiches Rudern ermöglichte, darf nach der Ausbildung der Gelenke zwischen den einzelnen Fußsegmenten trotz des von Dacqué als Höhensteuer (15) gedeuteten blattförmigen Telsons bezweifelt werden, wie das schon Laurie (16) tat. Jedenfalls ist es ausgeschlossen, daß die Tiere erwachsen große Wanderzüge über weite Meeresräume hin ausgeführt haben. Wanderten sie an Küstenlinien entlang, von Lagune zu Lagune? Das wäre denkbar, aber merkwürdig dann das so völlig unvermittelte und für Europa so isolierte Auftreten z. B. in D 5 in Böhmen.

Die Untersuchungen von Clarke und Ruedemann haben uns eine stattliche Anzahl von Jugendstadien kennen gelehrt. Bei ihnen waren die „Ruderfüße“ verhältnismäßig größer als bei den Erwachsenen. Waren sie darum bessere Schwimmer? Bei jungen Hunden, Kälbern, Füllen, bei jungen Llamas sind die Extremitäten verhältnismäßig größer und grobknochiger als bei alten Tieren, ohne damit ein schnelleres Laufen zu ermöglichen. Wurden die nur wenige Millimeter großen, frühesten Jugendstadien etwa planktonisch verfrachtet? Dann hätte das z. B. von Lagunen des nordamerikanischen Untersilur aus bemerkenswerterweise nur durch Oberflächenströmungen spezifisch leichteren Wassers geschehen sein müssen. Greifbare Beweise für solche Art der Verbreitung haben wir nicht.

Solche Einzelvorkommnisse zudem meist zerfetzter Stücke, wie wir sie aus Podolien, aus Böhmen, Gotland, Schonen, aus dem Utica, Liberty, Guelph und Clinton kennen, ebenso die aus dem Wenlock Englands und aus dem Ludlow-bonebed vermag ich nicht anders als verschwemmte Reste – teils wohl auch nur von Exuvien – anzusehen.

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Josef Felix Pompeckj: Gigantostraca und Scorpionida. Gebrüder Borntraeger, Berlin 1923, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pompeckj_Gigantostraca_und_Scorpionida.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)