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schließen, daß die Vorläufer der Skorpione einstmals – weit vor der zu überblickenden Überlieferung – Wassertiere gewesen seien. Die Abstammung der Skorpione von Gigantostraken wird dadurch aber nicht bewiesen.

Frühe Larvenstadien von Skorpionen weisen, wie Clarke und Ruedemann (28) betonen – abgesehen von der gleichen Gliederung des Körpers – keine besonders große Übereinstimmung mit frühesten Jugendstadien von Gigantostraken auf. Die 4 Paar Anhänge an den Abdominalsegmenten (= 4 Paar Tracheen bei den Erwachsenen) können als Andeutungen von Kiemen aus sehr weit zurückliegender Ahnenzeit betrachtet werden (Brauer).

Alles in allem: Wenn auch die Arachnidennatur der Gigantostraken feststeht, so will es doch nicht gelingen, die Skorpione als ihre Nachkommen zu beweisen. Überhaupt: Daß ganz einseitig spezialisierte Wassertiere, wie die Gigantostraca, je zu Landtieren geworden seien, will mir durchaus nicht einleuchten. Der umgekehrte Weg – vom Landtier zum Wasserbewohner – ist der häufig eingeschlagene, wenigstens zeigen das viele Wirbeltierstammlinien.

Die Extremitäten der Gigantostraken sind auf Schreitfüße zurückzuführen, die der Skorpione sind es dauernd geblieben. Im Besitz der Kämme haben die Skorpione umgebildete Reste eines primitiveren Merkmals konserviert, als wir es bei den Gigantostraken finden. Das Sternum der Skorpione, dem Metastoma der Gigantostraken homolog, scheint Primitiveres auszudrücken als jenes und kann zum Metastoma geworden sein. Die Lage der Coxae der beiden hintersten Fußpaare bei dem Silurskorpion Palaephonus – in der Mediane einander noch unmittelbar gegenüber – ist für Skorpione primitiv, sie kann zu der Coxenlage (und später zur Kauladenausbildung) bei den Gigantostraken geführt haben. Die Facettenaugen der Gigantostraken mögen nach Versluys auf gehäufte, laterale Ocellen zurückzuführen sein, wie sie z. B. auch bei dem silurischen Proscorpius vorhanden sind.

Bei den sonstigen morphologischen Übereinstimmungen drängt sich leicht der Schluß auf: Die Gigantostraca sind zum Wasserleben übergegangene Abkömmlinge der Scorpionida. Gerade in den gehäuften lateralen Ocellen von Proscorpius möchte man die erste Andeutung eines solchen wieder einmal eingeschlagenen Weges sehen. Jedenfalls könnte man Proscorpius eher als einen zum Aufenthalt im Wasser hinneigenden Skorpion ansehen – ich will das jedoch nur mit allergrößtem Vorbehalt sagen – denn als einen Gigantostrakennachkommen. Wenn einstmals Skorpione wasserbewohnende Gigantostraken wurden, dann brauchten

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Josef Felix Pompeckj: Gigantostraca und Scorpionida. Gebrüder Borntraeger, Berlin 1923, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pompeckj_Gigantostraca_und_Scorpionida.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)