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Geschichte der mathematischen Physik.

Die Vergangenheit und Zukunft der Physik.

Wie ist der gegenwärtige Zustand der mathematischen Physik? Welches sind die Probleme, die sie sich stellt? Was ist ihre Zukunft? Ist ihre Richtung im Begriff sich zu ändern? Werden Ziel und Methode dieser Wissenschaft in zehn Jahren unseren unmittelbaren Nachfolgern in demselben Licht erscheinen wie uns, oder werden wir im Gegenteil einer Umgestaltung von Grund auf beiwohnen? Dieses sind die Fragen, die wir stellen müssen, wenn wir unsere Untersuchung vornehmen.

So leicht es ist, sie zu stellen, so schwer ist es, sie zu beantworten. Wenn es uns lockte, eine Vorhersage zu wagen, so würden wir dieser Versuchung leicht widerstehen, wenn wir an all die Torheiten denken, die die bedeutendsten Gelehrten vor hundert Jahren gesagt haben würden, wenn man sie gefragt hätte, was die Wissenschaft im 19. Jahrhundert sein würde. Sie würden geglaubt haben, in ihren Voraussagungen kühn zu sein, und wie ängstlich wären sie uns nach dem Ausgang erschienen. Man erwarte also von mir keine Prophezeihung.

Wenn es mir aber auch, wie einem vorsichtigen Arzt, widerstrebt, eine Prognose zu stellen, so kann ich mich doch nicht einer kleinen Diagnose enthalten. Allerdings, es sind Anzeichen einer ernsten Krisis vorhanden; es scheint, als ob wir uns auf eine nahe Umgestaltung gefaßt machen

Empfohlene Zitierweise:
Henri Poincaré: Der gegenwärtige Zustand und die Zukunft der mathematischen Physik. Der Wert der Wissenschaft, B. G. Teubner, Leipzig 1904/6, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PoincareKrise.djvu/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)