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„Vor diesem Saal draußen ist eine schöne lange gepflasterte Galerie auf dem Wall, auf der man Fußturnier halten, auch mit Kutschen hinauffahren kann. Der obere und der untere Saal werden mit Marmorsteinen gepflastert und alles wird so eingerichtet, daß man bei Feindes- und Belagerungsnöten den marmornen Belag geschwind vom Boden und von den Wänden wegnehmen kann, denn dahinter sind alles dicke Mauern und Pflaster von harten Quadersteinen, schwer Geschütz darob zu führen. Wie man den Kaiser Matthias, den König Ferdinand und den Erzherzog Maximilian auf der Mönchwiese drüben über der Elbe empfing, da waren Bastei und Lusthaus voller Geschütze und fuochi artificiati, welche hinüber spielten. ...“

TURNIERE.

Der Stallhof und das Lusthaus an der Jungfer wurden eben als Stätten der einstigen Turniere genannt. In der Tat war das 16. Jahrhundert, in dem der Stallhof entstand, die klassische Zeit der Schauturniere und ritterlichen Spiele in Dresden. In diesen lebte ja das Rittertum des Mittelalters, nachdem es durch die Erfindung des Schießpulvers seine Bedeutung für den Krieg mehr und mehr verloren hatte, noch mehr als ein Jahrhundert fröhlich weiter. Aus dem Kampf war freilich ein Kampfspiel geworden, aus dem ehemaligen Ernst aber sproßte die Kunst empor, die Freude an farbenfroher, glänzender Durchbildung von Wehr und Waffen, an Entfaltung von festlichem Prunk und prächtigem Schaugepränge. So zog vor allem das Kunstgewerbe einen hohen Gewinn aus dem absterbenden Rittertum. Wie noch heute bei Pferderennen und Regatten galt es im Turnier einen Preis zu erwerben. Der Fürst als Maintenator setzte ihn aus, und er selbst verteidigte ihn gegen die Aventuriers, seine Gäste, die er zum Turnier herausforderte. Auf gerüsteten und reichgeschmückten Gäulen ritten die Kämpfer gegeneinander an und suchten einander mit ihren Lanzen aus dem Sattel zu heben. Die Renngäule trugen ein Gelieger, d. h. einen Behang aus farbigem Stoff, der den Sattel und das ganze Tier einhüllte, und dieser war reich geschmückt, mit Wappen und Wahrzeichen des Besitzers bestickt, mit ornamentalen und figürlichen Verzierungen versehen. Gleich dem Manne war auch das Roß gerüstet, und Rüstung und Roßharnisch zeichnen sich ebensowohl durch ihre künstlerisch zweckmäßige Durchbildung wie durch reichen ornamentalen Schmuck in getriebener, ziselierter und eingelegter

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/75&oldid=- (Version vom 17.12.2022)