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das klassisch vornehme Werk in einer harmonischen Abgeschlossenheit vor uns, wenn wir es als Ganzes auf uns wirken lassen.

Betrachten wir einläßlich alle Einzelheiten, so schwindet ja dieser Eindruck der Einheitlichkeit hier und da: die beiden Tugenden sind etwas schwerfällig und stehen zurück hinter der freieren Gestaltung des auferstandenen Christus. Nicht minder groß ist der Unterschied zwischen dem kraftvoll und lebendig empfundenen Täufer und dem akademisch braven Evangelisten Johannes, nach Gurlitt einer späteren Ergänzung um 1730. Ja, man wird nicht fehl gehen, wenn man mit Steche das ganze Tor als ein gemeinsames Werk der italienischen und der deutschen Steinmetzen, die zugleich am Schloßbau tätig waren, betrachtet. Der Entwurf zu dem ganzen Werk, abgesehen von der Attika, darf Juan Maria zugeschrieben werden, von dem zugleich die korinthischen Säulen nebst dem Sims und der sonstigen Ornamentik herrühren. „Der Schmuck der Pilaster verrät deutlich die Art der lombardischen Renaissancedekoration: wie an den oberitalischen Portalen ist es ein kandelaberartiger Aufbau, aus dem Ranken herauswachsen, die mit kleinen Schildern und Fruchtschnüren behangen sind. Dieses Ornament führt uns auch auf venezianische Einflüsse zurück. Das Schmücken mit kleinen Schildern, Masken, Vögeln und antiken Fabelwesen hatte sich in Venedig, Brescia und Padua besonders entwickelt: hier war die Heimat der reichverzierten Pilaster. Das Antikisieren in Kostüm und Haartracht, am Kapellentor in der Viktoria in den Bogenzwickeln bemerklich, ist das Merkmal venezianischer Hochrenaissance. Man wird also nicht fehl gehen, wenn man den Hauptschmuck des Tores dem Juan Maria da Padua zuschreibt.“ (Mackowski Nosseni S. 13.) Die gesamte figürliche Plastik dagegen, die hölzerne Tür sowie der Schmuck der Säulensockel gehören ganz oder teilweise den deutschen Meistern an, die damals in Dresden wirkten. Die Attika aber mit dem Relief der Auferstehung dürfte noch jünger sein, jedenfalls von einem deutschen Meister herrühren, der italienisches Kunstempfinden in sich aufgenommen hat.

Sehr geschickt ist übrigens an dem Relief der Ehebrecherin vor Christo die perspektivische Verkürzung der Säulenarchitektur des Saales, der den Schauplatz der Handlung bildet. An dem obern Relief aber ist bemerkenswert, wie der Künstler die Fläche

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/44&oldid=- (Version vom 20.8.2021)