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Speise-, Schlaf-, Jagd- und Spielzimmer, ein Bad, eine ganze Dorfschule, Arbeiterwohnhäuser, Bauernhäuser und Bauernstuben aus ganz Deutschland, ferner das sächsische Haus von Wilhelm Kreis, eine Porzellangalerie, künstlerisch eingerichtete Läden, einen keramischen Wintergarten, wir sahen eine ganze Tischlerei mit ausschließlich Maschinenbetrieb, ein Modelltheater mit elektrischem Betrieb, wir sahen die Arbeiten kunstgewerblicher Schulen aus Preußen, Sachsen, Württemberg und Baden, soweit sie sich auf Arbeit in einem bestimmten Material – nicht auf Zeichnungen – erstreckten, eine gediegene Sonderausstellung des deutschen Buchgewerbes u. a. m. Fürwahr eine glänzende Heerschau der deutschen Kunstindustrie und des deutschen Kunstgewerbes, soweit sie sich von der Nachahmung der alten Stile freigemacht haben.

Bestimmend für die Ausstellung war, daß in der Hauptabteilung allein die Künstler, nicht wie bisher die Fabrikanten und Handwerker die Führer waren, wodurch sie das einheitlich geschlossene künstlerische Gepräge erhielt, das ihren glänzenden Erfolg herbeiführte. Die künstlerischen Grundsätze aber waren und sind noch heute: echtes Material, keine Surrogate, keine Imitation; gediegene Arbeit, Sachstil, d.h. die Formen entsprechend aus dem Zweck der Gegenstände und aus dem Material entwickelt. Auf diesen Grundlagen beruht die Schönheit, nicht aber auf den Verzierungen, die in den meisten Fällen überflüssig sind. Die weitere Entwickelung dieser Grundsätze aber ergibt sich aus dem persönlichen Empfinden der Künstler, die Zweck, Material und Arbeitsweise durch ihre Ausbildung und durch eigene Arbeit im Material kennen müssen, und aus dem Empfinden unserer Zeit, das ein Recht auf eigene Formen hat, so gut wie jede andere voraufgehende Periode.

FRISCHES LEBEN.

Die Dritte deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung Dresden 1906 bedeutete den Sieg der modernen kunstgewerblichen Bewegung. Die Befehdung der neuen Grundsätze durch die Vertretung der alten Richtung hat daran nichts zu ändern vermocht: den Beweis dafür lieferte die umfängliche Ausstellung München 1908, die durchaus auf modernem Boden stand. Dresden hat sich in dieser kunstgewerblichen Bewegung wie überhaupt auf dem Gebiete der künstlerischen Kultur eine führende Stellung errungen. In Dresden gründete Ferdinand Avenarius 1887 den Kunstwart, der seitdem unermüdlich für Verbreitung

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 338. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/350&oldid=- (Version vom 9.4.2023)