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Moritz von Schwind das romantische Ideal echt süddeutsch-wienerisch ausprägte, wie Adolph Menzel die norddeutsch-berlinische Schärfe verkörperte, so war Ludwig Richter der Maler und Zeichner der sächsisch-dresdnerischen bürgerlichen Behaglichkeit, ländlich-gemütlichen Stillebens und romantischer Freude an der Natur. Mit dem Sinn für das Idyllische und das Märchenhafte vereinte er einen goldenen Humor. Alles Derbe, Gewaltsame, Dramatisch-Heroische lag ihm fern, aber ebenso weitab liegt seine Kunst von unechter Sentimentalität und von schwächlicher Empfindelei. Eben diese Ehrlichkeit und Wahrheit eines starken inneren Empfindens verbürgt Ludwig Richters Werken ihre Lebensdauer, wenn wir auch über ihre technischen Unzulänglichkeiten längst hinausgewachsen sind. Das große Ereignis in Richters Leben war seine italienische Reise, und er zahlte der deutschen Schwärmerei für die Reize der italienischen Landschaft den vollen Zoll seiner Zeit, das andere große Erlebnis aber war die Entdeckung der Schönheit des heimischen Elbtals, und in ihrer Schilderung, in ihrer malerisch-poetischen Verklärung fand er die große Aufgabe seines Lebens. So wurde er ein Heimatkünstler, dessen Kunst fest im Boden heimischer Natur und heimischen Volkstums wurzelte. Das deutsche Kleinbürgertum, die Bauernstube und besonders Leben und Freuden der Kinderwelt der Biedermeierzeit hat er uns mit nie versiegender Liebe und treuer Beobachtung im kleinen für alle Zeiten festgehalten, und die Schönheiten des sächsisch-böhmischen Elbtals auf die Leinwand gebannt zu einer Zeit, als Industrie und unkünstlerischer Sinn sie noch nicht so schwer beeinträchtigt hatten. Eine kleine Anzahl seiner besten Gemälde, vor allem die empfindungsselige Überfahrt am Schreckenstein (1837) und den köstlichen Brautzug im Frühling (1847) besitzt die Dresdner Galerie, prächtige Aquarelle und Zeichnungen, sowie alles, was von ihm in Holzschnitt erschienen ist, kann man im Kgl. Kupferstichkabinett sehen.

Der Holzschnitt spielte ja überhaupt damals in Dresden eine rühmliche Rolle. Hugo Bürkner (1818–97), der Vertreter des Holzschnitts an der Kunstakademie, hat an der Wiedererweckung dieses Zweiges der graphischen Kunst, die so lange abgestorben schien, ein hervorragendes Verdienst, Aus seinem Atelier sind eine ganze Reihe jener Holzschnittillustrationen hervorgegangen,

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 252. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/264&oldid=- (Version vom 12.3.2023)