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als das alte Theater, gesteigert in der Wirkung, prächtiger und voller in den Formen, vor allem nach der Hofseite, die mit den Barockformen Pöppelmanns in Wettbewerb treten. Im ganzen aber ist es so klar gegliedert, so einheitlich und harmonisch im Aufbau, wie kein anderer gleichzeitiger Bau in Deutschland. Die Einrichtung des Innern – Säle mit Oberlicht und Zimmerfluchten mit Nordlicht – ist klar und einfach. Jedenfalls wäre sie sehr viel praktischer geworden, wenn Semper an Stelle der inneren eine Außentreppe im Zwingerhof angelegt hätte, wozu ja auch die Anlage des Zwingers selbst aufforderte.

Bei der Beurteilung des Baues wollen wir nicht vergessen, daß er nicht durchweg nach seinen Absichten ausgeführt worden ist. Als Semper im Mai 1849 wegen der Beteiligung an der Revolution durch den Bau einer Barrikade Dresden verlassen mußte, war das Museum bis zur Erdgeschoßhöhe gediehen. Sempers Nachfolger Hofbaurat Krüger und Oberlandbaumeister Hänel wußten nicht, daß er die Kuppel sich weit großartiger gedacht hatte als in dem Modell, das nur dazu dienen sollte, die Proportionen darnach zu korrigieren. Er wollte die Kuppel rund, viel höher, oben abgestuft und glatt, er wollte sie durch vier reichgegliederte und mit Skulpturen verzierte Bogenfenster erleuchten und obenauf eine kolossale Gruppe von getriebenem Metall stellen. Krüger und Hänel aber führten die Kuppel nach dem Versuchsmodell ganz niedrig aus, machten sie sogar achteckig, ohne Stufen und mit schwerem Quader- oder Tafelwerk. Die Wirkung des Semperschen Baues hat dadurch Schaden gelitten.

NEUES AUFBLÜHEN DER KUNST.

Haben wir auch grundsätzliche Bedenken gegen die Wiederbelebung eines italienischen Stils auf deutschem Boden, so muß man doch zugeben, daß Sempers Dresdner Bauten alles andere, was damals in Deutschland gebaut wurde, weit hinter sich zurückließen, und daß um 1840 in Dresden eine Kunstblüte war, wie nirgendwo anders in Deutschland. Denn gleichzeitig oder kurz nach Semper waren eine Reihe von Künstlern an die Dresdner Akademie berufen worden, deren vereintes Schaffen Dresden als Kunststadt erneut einen Ruf verschaffte, wie zu Zeiten der beiden Auguste – aber mit dem Unterschied, daß diesmal ausschließlich deutsche Künstler in Dresden wirkten. Neben Semper als Architekt

Empfohlene Zitierweise:
Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/254&oldid=- (Version vom 3.3.2023)