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Orden, Tabaksdosen, Emailgemälden, kostbaren Stöcken, Schmuckstücken usw. das Bacchanal, die Schale mit dem ruhenden Herkules 1713, das Trinkhorn aus Rhinozeroshorn in Form eines Schiffes 1715, die Schale auf der Mohrin-Karyatide 1717 und eine zweite Schale: das Bad der Diana 1720. An diese Goldschmiedearbeiten schließen sich sodann die großen Schaustücke, die August der Starke fertigen ließ, um seine Gemmen und Kameen — geschnittene Edelsteine — in künstlerischer Form zusammenzufassen, Schaustücke, an denen fast alle Techniken der Kleinkunst beteiligt sind. Kleinere Werke dieser Art sind die gefaßte antike Onyxkamee, die geschnittene Eisenvase und die beiden Vasen aus Kehlheimer Stein. Daran schließt sich der sogenannte Obeliscus Augustalis, den Dinglinger in Gemeinschaft mit dem Edelsteinschneider Hübner und dem Hofjuwelier Döring anfertigte; er ist fast 2 m hoch und umfaßt nicht weniger als 240 geschnittene Steine. Den Abschluß dieser Reihe und zugleich von Dinglingers Lebenswerk bilden die drei großen Kabinettstücke: der Frühling des Lebens, des Lebens höchste Freuden und das Ende des Lebens. Der Tempel des Apis endlich wurde erst nach Melchiors Tode in seiner Werkstatt vollendet.

Daß Dinglinger ein ganz hervorragender Künstler in seinem Fache war, kann keinem Zweifel unterliegen; er beherrschte alle Techniken seiner Kunst in ganz umfassender Weise; er vereinte damit eine reiche Phantasie, eine vielseitige Erfindungsgabe und guten Geschmack; er kannte alle Materialien seines Faches aus dem Grunde und wußte sie wirksam und harmonisch miteinander zu verbinden. Und so schuf er im Sinne des Barockstils, dessen letzter glänzendster Vertreter er als Goldschmied war, eine Reihe von Kunstwerken, die wir auch heute noch mit heller Freude als Meisterwerke der Goldschmiedekunst würdigen können. Dahin gehört z. B. das Bad der Diana, jene wundervolle Schale, die mit Recht zu den schönsten Ziergefäßen aller Zeiten gerechnet worden ist. Andere seiner Werke, die er im Auftrage des orientalisch veranlagten und abenteuerlustigen Königs fertigte, erscheinen uns als Kuriositäten einer vergangenen Zeitanschauung. Der Hofhalt des Großmoguls zu Delhi vermag weder in Wirklichkeit noch im Dinglingerschen Abbild unser Blut in Wallung zu versetzen, wenn wir auch die geschickte, künstlerisch freie und lebendige Durchbildung der zahllosen Figuren, eine Hauptstärke Dinglingers, bereitwillig

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Paul Schumann (1855-1927): Dresden. Berühmte Kunststätten, Band 46, 1. Auflage. E.A. Seemann, Leipzig 1909, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Paul_Schumann_-_Dresden.pdf/154&oldid=- (Version vom 14.2.2023)